Filmwertung: |
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| 8/10 |
In Zeiten der Filmübersättigung versprechen viele Thriller atemberaubende Unterhaltung. Doch nur wenige Filme verdienen diese Wertung wirklich. Doch den Stunt-Koordinatoren Chad Stahelski und David Leitch ist mit ihrem Thriller „John Wick“ ein gradliniges und spektakuläres Actionkino gelungen, das sein Genre wahrlich gerecht wird. Der Zuschauer bekommt genau das präsentiert, was er erwartet. Gelungenes Popcornkino der Meisterklasse, ohne große Schnörkel und tiefgreifender Geschichte, dafür rasante Action mit einer großen Portion schwarzem Humor.
Rund um Keanu Reeves in der Hauptrolle des erzürnten Ex-Killers wird ein regelrechtes Mordszenario inszeniert, das den Adrenalinspiegel des Zuschauers ordentlich auf Touren bringt. Und das Bemerkenswerte an dem gnadenlos brutalen Film ist, dass die Gewalt in keinster Weise verherrlicht wird. Stattdessen wirken die Bilder künstlich in Szene gesetzt, wodurch die gesamte Gestaltung als Stilelement aufgegriffen wird. Die Gewalt zieht sich wie ein roter Faden quer durch den Film und bedingt die brachiale Action im Höchstmaß.
Aufgrund dessen ist die Geschichte vorhersehbar, keinesfalls innovativ oder gar überraschend. Dennoch fesselt der gradlinige Thriller, nach dem Drehbuch von Derek Kolstadt, von der ersten Minute an. Der Look ist an die Thriller der 1980er Jahre angelehnt und beweist mit rasanten Autofahrten, schnellen Schusswechseln, minutiös getimten Kämpfen, großkalibrigen Waffen und einer gerissenen Gangsterbraut, dass die Geschichte mitunter zur Nebensache werden kann, wenn der Hauptdarsteller gut besetzt ist. Die Geschichte wird konsequent durch die Hauptfigur getragen, die voller innerer Widersprüche ist. Wick wird als liebevoller Ehemann und friedfertiger Bürger eingeführt, doch der Zuschauer ahnt bereits, dass die Fassade nur täuschen kann. Erst durch die Provokation des Russen erwacht Wicks wahres Gesicht und nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise in die Abgründe der Großstadt. Keanu Reeves („The Matrix“) verkörpert mit harter Souveränität den Killer, der stets einen Plan vor Augen hat. Mit seinem scharfen Gespür analysiert er jede Situation in wenigen Sekunden, um die Schlacht für sich zu entscheiden. Mit präzisem Waffeneinsatz und einem Mix aus Material Art, deren Choreographie schlichtweg brillant ist, erledigt Wick seine Gegner ohne Reue. Die zutiefst menschlichen Emotionen der Hauptfigur dienen der Geschichte als Grundstein und setzen den bestialischen Rachefeldzug nachvollziehbar in Szene. Wicks Gefühle bestimmen das Tempo des Films, ohne das Actionlevel abflachen zu lassen. Nur gelegentlich wird das Tempo minimal gedrosselt, um dem unterschwelligen schwarzen Humor, der an den knackigen Dialogen behaftet ist, genügend Raum zu liefern. Die Sprüche gehen zumeist auf die Killer, die schon lange nicht mehr das sind, was man von ihnen erwartet. Aber auch Wick schafft es, sich mit den perfekt getimten Sprüchen selbst auf dem Arm und dem Film damit den Ernst zu entziehen. Mit Michael Nyqvist („Millennium“-Trilogie) als schrulligen Gegenspieler Viggo ist den Filmemachern eine Überraschung gelungen. Viggo führt die Unterwelt mit harter Hand und verteidigt geschäftsmäßig seinen Ruf. Doch auch er hat seine Werte verloren und ist sich selbst am Wichtigsten. Und dafür opfert er schon einmal bereitwillig den ohnehin verdorbenen Nachwuchs.
Fazit: „John Wick“ ist ein grandios inszenierter Thriller mit exzentrischen Figuren, einer konsequent actionreichen Ausstattung und einem unerwartet emotionalen Grundkern.
by Sandy Kolbuch