Filmwertung: |
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| 6/10 |
Verborgene Wünsche und Träume, die nicht ausgesprochen oder ausgelebt werden können, zwingen den Menschen zum Stillstand. Resigniert zieht er sich zurück, um sich seinen Phantasien über nie erlebte Ereignisse hinzugeben. Drehbuchautor und Regisseur Roland Reber widmet sich acht Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch alle teilen eine Gemeinsamkeit: Sie verstecken ihre Sehnsüchte hinter einer starren Fassade des Alltags, dem sie beim besten Willen einfach nicht entfliehen können.
In anfänglich ruhigen Bildern werden die acht Hauptfiguren in ihrem festgefahrenen Alttag vorgestellt. Als alle in einer Kneipe aufeinandertreffen, lernen sie sich selbst durch einen anderen Blickwinkel wahrzunehmen. Plötzlich nehmen ihre Phantasien Gestalt an und nehmen den Zuschauer mit auf eine Reise zwischen Realität und Illusion.
Nach „24/7 The Passion of Life“ und „
Engel mit schmutzigen Flügeln“ hat Reber erneut einen unvergleichlichen und eigenwilligen Film geschaffen. Die Gedankenwelt der Protagonisten lässt ungeahnte Lüste und Ängste zum Vorschein kommen, die in einem nahezu surrealen Stil in Szene gesetzt werden. Die Gesänge der Bardame (Claire Plaut) bilden einen stilistischen Rahmen, der als Art Erzählstimme aufgefasst werden kann.
Die Hauptfiguren lösen sich durch ihre Gedanken von jeglichen Zwängen und leben offen aus, was sie ihr Leben lang aufbegehrten.
Der Filmstil ist wahrlich unkonventionell und verlangt vom Zuschauer eine unvoreingenommene Haltung. Von banalem Handyfoto bis hin zu kirchlichen Psalmen wird die Handlung von einer stets wechselnden Erzählperspektive getragen. Die Kamera springt zwischen den Figuren, ihrer Wirkung auf die Mitmenschen und den privaten Kopfkino hin und her. Dabei entstehen spannende, unvorstellbare oder berührende Sequenzen, die mal in seichten Bildern und mal in poppigen Farbtönen mit unterschwelliger Melancholie dargestellt werden. Das Beisammensein in der Kneipe stellt sich als Parallelwelt dar, in denen sich die Figuren neu erfinden und ihren Alltag außen vor lassen. Jeder präsentiert sich so, wie er selbst gesehen werden will und nicht, wie er im wirklichen Leben scheint. Wenn sich die Zwanzigjährige, die daheim von Selbstzweifeln und Unsicherheit geplagt wird, in der Kneipe als offene Frau entpuppt, die ihre Faszination am männlichen Geschlecht mit unterschwelligen Sprüchen floriert, handelt es sich um eine Gradwendung. Diese Gradwendung wird in den Traumsequenzen wieder aufgegriffen, die sich deutlich von den anderen zwei Filmebenen abhebt. Nicht zuletzt durch die Musik von Antje Nikola Mönning (SOKO Köln), die jeden Traum ihre ganz eigene Note verleiht.
Das WTP-Darsteller-Ensemble improvisiert auf weite Strecken, was gelegentlich etwas holprig wirkt. Die im Grunde einfache Botschaft der meist hochtrabenden Dialoge kommt dennoch beim Zuschauer an und regt zum Nachdenken über das eigene Leben an. Im Mittelteil schleichen sich einige Längen, die spannungsarm daherkommen. Diese unterschwellige Langeweile spiegelt sich auch in einigen belanglosen Gesprächen der Figuren miteinander wieder.
Fazit: Das vielschichtige Drama von Roland Reber präsentiert auf drei Ebenen das Alltagsleben des Menschen, hinter dessen Fassaden sich unausgesprochene Fantasien verbergen. Wer bereit ist, sich auf eine völlig unkonventionelle Unterhaltung einzulassen, wird interessante Facetten finden, die sich nicht auf Anhieb erschließen, sondern erst im Laufe der Handlung ihre Offenbarung finden.
by Sandy Kolbuch
Bilder © WTP International