Filmwertung: |
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| 8/10 |
Nachdem die Coen-Brüder mit dem für ihre Verhältnisse sehr melancholischen Film „Inside Llewyn Davis“ überraschten und vor kurzem dem Drehbuch des großartigen Spielberg-Kalter-Krieg-Dramas „Bridge of Spies“ ihre Magie liehen, zeigen sie sich nun mit „Hail, Caesar!“ erneut primär von ihrer komischen Seite. Doch wie von den Brüdern gewohnt, ist auch ihr nun 17. Spielfilm fast nicht klassifizierbar, er ist jedenfalls ganz und gar unverkennbar ein Produkt der Coens mit all ihren Eigenarten und Ticks. Wie immer ist da eine leicht erkennbare Oberfläche – in diesem Fall eine Hommage an das Studiosystem von Hollywood in den 50er Jahren – doch wer die Coens kennt, weiß, dass es sich auch bei „Hail, Caesar!“ lohnt, mehrfach hinzusehen, um mehr oder weniger versteckte Bedeutungsebenen zu finden.

Wie schon in ihrem vielleicht komplexesten Film „Bartin Fink“ spielt sich „Hail, Caesar!“ vor dem Hintergrund des fiktiven Filmstudios Capitol Pictures“ ab, in dem Eddie Mannix (Josh Brolin), ein sogenannter „Fixer“, versucht das Verschwinden von Baird Whitlock (George Clooney), des größten Stars des Studios, aufzuklären, ohne das die Öffentlichkeit davon Wind bekommt. Der etwas dämliche Whitlock wurde nämlich tatsächlich von einer Gruppe kommunistischer Drehbuchautoren entführt, die nun ein Lösegeld für seine Freilassung verlangen – eine Tatsache, die ein PR-Desaster darstellen würde.
Der rote Faden von „Hail, Caesar!“ ist dieser an „The Big Lebowski“ erinnernde Kidnapping-Plot, viel mehr ist der Film jedoch eine Ansammlung augenzwinkernd-genüsslicher Momente, die durch wunderbar coenesque-trocken Humor durchzogen sind. Es gibt zahlreiche temporeiche, beißend intelligente Schlagabtäusche – ein Highlight ist eine Szene, in der Mannix in einer Diskussionsrunde mit einem katholischen, einem protestantischen, einem griechisch-orthodoxen Priester und einem Rabbi über die korrekte Darstellung von Jesus in einem Sandalenfilm verhandelt – oder eine in ihrer verquerten Komplexität kaum verständliche Diskussionsrunde der intellektuellen Kommunisten, der Whitlock mit großen und verständnislosen Augen lauscht. Herrlich auch die Szene, die Inhalt einer der Trailer zum Film war: Hier muss Western-Dumpfbacke Hobie Doyle (Alden Ehrenreich) zum ersten Mal in einer Szene bestehen, die echte Dialoge und nicht nur irrsinnige Pferde- und Schießstunts enthält. Das Ganze führt zu einem nicht enden wollenden Hin und Her zwischen Doyle und dem frustrierten Regisseur Laurence Laurentz (Ralph Fiennes), der ironischerweise die richtige Intonation des Satzes „Wäre es doch bloß so einfach“ (O-Ton: „Would that it were so simple“) beinhaltet. All diese Momente sind vollgeladen mit brillant beobachteten Details, die mit dazu beitragen, dass „Hail, Caesar!“ gerade in der ersten Hälfte oft einfach zum Schreien komisch ist.
Dazu gesellen sich wundervoll choreografierte und ausladende Szenen des klassischen Hollywoods, bei denen vor allem ein synchrones Wasserballettspektakel mit Scarlett Johansson als Meerjungfrau und eine humoristische und sehr spaßige Musical-Stepptanz-Nummer mit einem singenden Channing Tatum als Matrose hervorragen.

Aber es gibt auch eine herrlich augenzwinkernde, alte B-Western parodierende Verfolgungsjagd zu Pferde mit Hobie Doyle und mehrere einfach köstliche Szenen aus dem titelgebenden Bibelepos „Hail, Caesar!“, in dem Clooney sich wie schon in seinen drei anderen Coen-Filmen als dumpfer, überspielender Idiot von seiner komischsten Seite zeigt. Diese herrlich anzusehenden Momente huldigen zum einen dem Glanz Hollywoods alter Technicolor-Großproduktionen in all ihrer überbordenden Üppigkeit und Theatralik, doch die Coens wären nicht die Coens, wenn sie das Ganze nicht auch mit ihrem trockenem und intelligentem Humor unterwandern und wie allem anderem so auch eine ambivalente Doppelbödigkeit verleihen würden. Inszeniert ist das alles mit technischer Brillanz in strahlend-farbenfrohen Bildern vom großartigen Coens-Stammkameramann Roger Deakins, der hier nach längerer Zeit wieder auf Analogfilm dreht.
„Hail, Caesar!“ ist so vor allem für Cineasten vordergründig ein lockerer und leicht bekömmlicher Genuss, eine Einladung, die vielen Verweise zum klassischen Hollywood-Kino zu entdecken und sich über die Verspieltheit der zugleich ironischen und bewundernden Coen-Variationen zu amüsieren. Wie so oft bei den Coens geht es am Ende zumindest scheinbar nicht um wirklich viel. Sie haben die einzigartige Fähigkeit, sich selbst und ihre Filme an der Oberfläche angenehmerweise nicht besonders ernst zu nehmen, doch darunter ganz viel Interpretationsspielraum für tiefere Bedeutungsebenen zu lassen. Nie waren die Brüder an offensichtlich bedeutungsschweren Themen-Filmen interessiert, dafür sind sie einfach zu clever und hintersinnig. Sie buhlen schlicht nicht um das offensichtliche Gefallen der Kritiker und haben kein Interesse daran, die Zuschauer an der Hand zu nehmen. Der scheinbar ziellose und episodenhafte „Hail, Caesar!“ ist da definitiv keine Ausnahme und wird dadurch einen Großteil des Publikums, vor allem wenn sie mit den Eigenarten der Coens und auch den Verweisen zum Goldenen Zeitalter des Studiofilms nicht vertraut sind, vermutlich außen vor lassen und eventuell sogar frustrieren. Um was es letztlich wirklich geht, wird nicht plakativ ausgesprochen. Für Fans der geistreichen Brüder ist ihre Hollywood-Farce aber sicher ein Hochgenuss, denn hier wird so etwas wie ein Best-of ihres Werks geboten. Der leicht an ihren Kultklassiker „The Big Lebowski“ erinnernde Entführungsplot, die „Barton Fink“-Verweise mit Capitol Pictures und der Nennung des „Wallace Beery Konferenzraums“ werden von Freunden ihrer Filme mit einem wissenden Nicken angenommen werden.

Natürlich sind auch wieder zahlreiche wahnwitzige Namensschöpfungen zu finden, etwa besagter Laurence Laurentz oder auch Tilda Swintons Doppelrolle als die womöglich an Hedda Hopper angelehnte Hollywood-Klatschkolumnisten Thora und Thessaly Thacker.
Der Entführungsplot ist letztlich an sich fast schon nebensächlich, man darf ja nicht so etwas wie Spannung oder Aufregung erwarten. Das Zentrum des Films bilden die Abenteuer des Workaholic Eddie Mannix, der sich mit schlafloser Energie durch das Studiosystem navigiert und dabei nicht nur versuchen muss, das Verschwinden des großen Stars ohne großes Aufsehen zu klären. Unter anderem muss er sich auch immer wieder mit den beiden rivalisierenden Kolumnisten-Schwestern abgeben, die wie Aasgeier über jeder noch so kleinen Sensation lauern, um diese ausbeuten zu können. Seine Aufgabe ist es, Skandale abzuwehren und nicht an die von der glamourösen Traumfabrik hermetisch abgeriegelte Außenwelt dringen zu lassen. Er sorgt letztlich dafür, dass die Maschine reibungslos läuft und die Illusion einer fabelhaften Parallelwelt erhalten bleibt. Mal mit gutmeinender und väterlicher, aber auch mal schon mit leicht handgreiflicher Autorität. Zu seinen Herausforderungen gehört es auch, die Adoption ihres eigenen außerehelichen Kindes von Starlet DeeAnna Moran (Johansson) zu arrangieren, aber auch Westernstar Doyle auf Drängen des Studios in das pompöse Prestige-Gesellschaftsstück „Merrily We Dance“ von Starregisseur Laurence Laurentz zu vermitteln. Hinzu verhandelt er immer wieder zwischen Tür und Angel mit einem Vertreter des Luftfahrt-Konzerns Lockheed, der ihm ein lukratives Angebot für eine Führungsposition macht. Zudem versucht Mannix noch mit dem Rauchen aufzuhören und ist täglich Gast im Beichtstuhl. Er ist ein Mann mit einem inneren Konflikt und steht, wie schon zuletzt Llewyn Davis, zwischen der Ausübung seiner Leidenschaft und einem konservativeren und sicheren Job. Denn eins ist klar: Das Fernsehen, die große Unbekannte, schwebt schon über Hollywood und könnte ein jähes Ende für die glorreichen und übermächtigen Zeiten sein. Und auch der Kommunismus ist ein Thema, das immer mehr aufkommt.
Brolin zeigt in der Hauptrolle eine gewohnt starke Präsenz, er ist die Stimme der Vernunft in einer wahnwitzigen Welt und sucht nach einem Weg, das Richtige zu tun. Noch größeren Eindruck machen aber die zahlreichen Nebenfiguren: George Clooney, der nach „Oh Brother, Where Art Thou?“, „Ein (un)möglicher Härtefall“ und „
Burn After Reading“ seinen wohl bisher größten und ahnungslosesten Blödmann für die Coens spielen darf, ist einfach nur urkomisch, ebenso aber auch der noch eher unbekannte Alden Ehrenreich, dessen singender Cowboy an Doofheit noch einen drauf setzt und den Film regelmäßig mit viel Ausstrahlung und naivem Charme seinen Auftritten stiehlt. Er ist eine Offenbarung. Tilda Swinton ist immer gerne gesehen und hat sichtlich Spaß mit ihrer Doppelrolle, Channing Tatum genießt ebenfalls die Theatralik seines Parts, etwas erzwungener wirkt allerdings Coen-Rückkehrerin Scarlett Johansson (sie hatte bereits in „The Man Who Wasn’t There“ einen Auftritt).

Ein Coen-Film ist natürlich auch nur halb vollständig ohne den Auftritt von Frances McDormand, die in einer kurzen, aber sehr spaßigen Szene glänzen darf. Ansonsten ist der Film mit vielen weiteren wunderbaren Charaktermimen ausgestattet, die die Coen-Dialoge perfekt interpretieren und ihre Szenen dementsprechend spritzig gestalten.
Wer also „Hail, Caesar!“ als reine Hommage an ein altes Hollywood versteht, wie es so viele tun, hat die Coens sicher nicht verstanden. Wer das geniale Bruderpaar kennt, der weiß, dass ein einmaliges Ansehen ihrer Filme meist nur einen guten Eindruck hinterlässt, man aber erst bei wiederholter Betrachtung ganz neue Facetten und Bedeutungen erkennt. „Hail, Caesar!“ ist dann eben auch wieder so ein Fall, ein leichter, enorm amüsanter und fluffiger Film an der Oberfläche, den man wunderbar genießen kann, aber eben auch wahrhaftig nicht ohne Tiefgründigkeit ist.
Fazit: „Hail, Caesar!“ ist ein amüsanter, geistreicher und hintergründiger Blick vor und hinter die Kulissen des goldenen Zeitalters Hollywoods, das besonders für Fans des trockenen Humors der Coen-Brüder einen Genuss darstellen sollte. Die episodenhafte und bewusst scheinbar ziellose Erzählweise könnte für viele Zuschauer aber auch eine frustrierende Irritation darstellen.
by Florian Hoffmann
Bilder © Universal Pictures Intl.