Filmwertung: |
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| 8/10 |
„Für Sama” ist ohne Frage einer der erfolgreichsten und relevantesten Dokumentarfilme der letzten Jahre. Der erste Film der jungen Regisseurin Waad al-Kateab, der in Zusammenarbeit mit Edward Watts entstanden ist, hat 2019 schon etliche Preise wie den Prix l´Oeil d´Or in Cannes für den besten Dokumentarfilm, einen Emmy und sogar vier Auszeichnungen bei den British Independent Film Awards gewonnen. Auch hat der Film eine Nominierung als bester Dokumentarfilm für die Oscars erhalten.
Sama IN ALEPPO © Filmperlen
Waad al-Kateab dokumentiert die Entwicklung der Aufstände in Aleppo aus nächster Nähe. Als Studentin an der Universität in Aleppo hat sie von Anfang an die Proteste miterlebt und zunächst mit ihrer Handykamera, später mit einer Digitalkamera aufgezeichnet. Die Aufnahmen, die im Film verwendet wurden, sind eben diese Aufzeichnungen. Seltene Drohnenshots zeigen dabei die Stände der Zerstörung und schaffen einen größeren Eindruck von der Stadt in Unruhe.
Die Regisseurin zeigt aber nicht nur den Krieg, sondern auch ihr Leben in diesen schweren Zeiten. Der Zuschauer erlebt wie Waad in die Proteste gerät, den Arzt Hamza kennenlernt, sich in diesen verliebt und schließlich heiratet. Es wird gezeigt wie die beiden sich ein Haus kaufen und versuchen ein Leben aufzubauen und wie Waad feststellt schwanger zu sein und vor die schwierige Frage gestellt wird mit ihrer Familie zu fliehen oder weiter in ihrer Heimat zu bleiben und die Proteste zu unterstützen.
Hamza, der als einer der wenigen Ärzte, die noch im Krisengebiet geblieben sind, operiert und kümmert sich fast ununterbrochen um Verletzte, während Waad aus dem Krankenhaus heraus versucht die Unruhen so gut wie möglich zu dokumentieren. Dabei muss sie sich auch noch um ihre neugeborene Tochter Sama kümmern.
Waad al Kateab © Filmperlen
Der Film wechselt immer wieder zwischen den letzten Tagen der Belagerung des Militärs und den Entwicklungen der Aufstände die zu eben dieser Belagerung geführt haben. Diese Wechsel sind geschickt eingesetzt und lassen den Zuschauer gleichzeitig die Hintergründe verstehen und die Folgen davon sehen. Weiterhin haben diese Wechsel zur Folge, dass der Film nie in Gefahr kommt zu monoton zu sein. Der Film wird abwechslungsreich und nicht zu trocken, was sehr bemerkenswert ist, wenn man bedenkt, wie eingeschränkt die junge Filmemacherin in der Zeit des Films war.
Ein weiterer großer Pluspunkt ist, dass der Film weder versucht dem Zuschauer seine Meinung aufzuzwingen, noch zu sehr auf die Tränendrüse drückt. Die Regisseurin entscheidet sich dazu einen großen Teil des Films mit Menschlichkeit zu füllen und zeigt sehr viele hoffnungsvolle und schöne zwischenmenschliche Momente. Der Film schreckt zwar nicht davor zurück die Grausamkeit des Krieges in vollem Ausmaße darzustellen, zeigt aber auch, dass das nicht ausreicht, um Menschen zu brechen.
WAAD mit Sama IN ALEPPO © Filmperlen
Gewidmet ist der Film der namensgebenden Sama, al-Kateabs Tochter. Die Regisseurin spricht diese in einigen Fällen mithilfe eines Voice-overs auch direkt an. Das kann bei einigen Zuschauern den Film noch näher und persönlicher erscheinen lassen, aber bei anderen leider auch das genaue Gegenteil erzeugen und den Zuschauer aus dem Film rausreißen.
Was der Film aber definitiv schafft, ist zum Nachdenken anzuregen. Durch die echten Aufnahmen und das Wissen, dass Waad- al-Kateab und ihre Familie diesen Schrecken wirklich durchleben mussten, entsteht ein Gefühl der Nähe, der Beklemmung und Furcht, aber an einigen Stellen auch der Freude und Erleichterung. Viele Zuschauer werden nach dem Film höchstwahrscheinlich erst mal im Kinosessel sitzen bleiben und im Stillen über das nachdenken, was sie gerade erlebt haben. Und wenn das geschafft ist, ist die größte Aufgabe eines Films schon mal erfüllt.
Fazit: Für Sama ist ein ganz besonderer Film. Neben einzigartigen Aufnahmen, die während der Zeit der Aufstände in Aleppo entstanden sind, bietet der Film einen schönen Einblick in die Gesellschaft, regt zum Nachdenken an und berührt den Zuschauer. Der Film überzeugt vor allem durch die Nähe am Geschehen und wir den meisten Zuschauern wohl lange in Erinnerung bleiben.
by Albert Bailo