Filmkritik Fast & Furious 6
Filmwertung: |
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| 6/10 |
Bei einem spektakulären Coup in Rio de Janeiro haben Dom (Vin Diesel) und seine fahrerprobte Crew 100 Millionen Dollar erbeutet. Jedoch müssen sie ihr Leben ohne monetäre Sorgen im Exil verbringen, da nach jedem von ihnen in den USA gefahndet wird. Besonders Dom fühlt sich im vermeintlichen Paradies der Karibischen Inseln nicht wohl, wünscht er sich doch nur, nach Hause zurückzukehren. Eine Vereinbarung mit ihrem ehemaligen Widersacher aus Rio, US-Agent Luke Hobbs (Dwayne „The Rock“ Johnson“), ist daher ein lukratives Angebot für das Fahrerteam. Hobbs benötigt nämlich Hilfe, um den von Interpol gejagten Verbrecher Owen Shaw (Luke Evans) zu fassen, welchem ebenfalls ein Team aus exzellenten Fahrern mit Hightech-Autos zur Verfügung steht. Mit Doms Hilfe hofft Hobbs, die Gangster auf der Straße zur Strecke bringen zu können, im Gegenzug gewährt er ihnen Amnestie für ihre bisherigen Straftaten. Eine persönliche Komponente bekommt die Angelegenheit, da Letty (Michelle Rodriguez), die für tot gehaltene Exfreundin von Dom, scheinbar für Shaw arbeitet. In London kommt es zum ersten Showdown, bei dem der Crew bewusst wird, dass sie es hier mit Gegenspielern ohne Skrupel zu tun haben, die ihnen immer einen Schritt voraus zu sein scheinen.
Für Außenstehende wird die Frage wichtig sein, ob es nötig ist, die vorherigen fünf Teile der Reihe um schnelle Autos, Muskeln und leicht bekleidete Frauen gesehen zu haben? Nein, denn zum einen hat sich die „Fast & Furious“-Reihe nie durch komplexe Handlungen definiert, zum anderen können relevante Informationen leicht aus dem Kontext erschlossen werden oder werden gar durch Rückblenden dargestellt. Für alle Fans der Serie gibt es zu Anfang ein kleines Bonbon, denn bei der Darstellung der Credits werden Szenen aus den vorherigen Filmen im Hintergrund gezeigt, was eine sehr schöne Idee ist, kann man doch hier alles noch einmal Revue passieren lassen und in Erinnerungen schwelgen.
Neben dieser netten Idee, macht der Film zu Beginn alles richtig und erfüllt genau die in ihn gesetzten Erwartungen. Er ist sich bewusst, was er ist: Eine seichte Unterhaltung für zwischendurch. Es gibt rasante Verfolgungsjagden durch London, bei denen einiges zu Bruch geht. Vor allem die Kameraarbeit hierbei kann sich sehen lassen, denn die Action wird durch schnelle Schnitte unterstützt und durch an Autos montierten Kameras bekommt man ein sehr gutes Gefühl für die Geschwindigkeit der Manöver. Was aber besonders lobenswert ist, ist die lockere Stimmung und die amüsante Interaktion zwischen den Charakteren. Überraschenderweise macht Dwayne Johnson („Welcome to the Jungle“) hier eine gute Figur, was die Mimik bei den zahlreichen kleinen Gags angeht. Auch die Einführung der verschiedenen Personen ist sehr gut umgesetzt worden, da diese in kurzen, aber prägnanten Szenen vorgestellt sind und man nicht zu viel Zeit damit verliert, aber dennoch ein gutes Gefühl für die unterschiedlichen Charaktere gewinnt. Der Soundtrack ist am Anfang ebenfalls stimmig, gibt er doch das Lebensgefühl ideal wieder.
Nach diesem optimalen Beginn fängt der Film allerdings an, in fremden Gefilden zu agieren. Die Geschichte zwischen Dom und Letty gerät zunehmend in den Mittelpunkt und wird entsprechend emotional aufgebauscht. Es ist lobenswert, dass die Macher des Films versuchen, einen neuen Weg in der Filmreihe einzuschlagen, allerdings sind die Figuren zu eindimensional, als dass wirkliche Gefühle bei diesen Sequenzen auftauchen könnten. Vin Diesel („Der Soldat James Ryan“) überzeugt hierbei schauspielerisch nicht, ist er doch in seinem mimischen Spiel zu limitiert. Michelle Rodriguez („Avatar – Aufbruch nach Pandora“) gelingt es hingegen gut, den inneren Zwist ihres Charakters mit einfachen Mitteln zu veranschaulichen. Ein emotionaleres Schauspiel kann allerdings einzig Paul Walker („The Lazarus Project“) vorweisen, insgesamt stört dies alles jedoch den Film eher, als dass es ihn bereichern würde. Und leider gelingt es Luke Evans („Die drei Musketiere“) nicht, über die Rolle des austauschbaren Standard-Bösewichts hinauszukommen, auch wenn er keine schlechte Performance darbietet.
Die Action nimmt erst gegen Ende hin wieder richtig Fahrt auf, zwischendurch wurden noch einige Faust-, Messerkämpfe und Schießereien untergebracht, die zwar das Actionspektrum erweitern, aber nicht wirklich bemerkenswert choreografiert wurden. Wirklich eindrucksvoll wird es erst wieder, wenn es zurück auf den Asphalt geht. Auf die angenehmen lockeren Gags vom Anfang, muss man leider bis zum Ende vergeblich warten – abgesehen von einer Ausnahme. Die One-Liner, kurze einsätzige Antworten, die auch als Witze fungieren können, wirken am Anfang noch lustig. Später sind sie zu sehr darauf getrimmt, cool zu wirken, was leider genau das Gegenteil bewirkt; dies wäre nicht so schlimm, wenn nicht der Ernst der Thematiken zunehmend im Vordergrund stünde und das Ganze von den One-Linern damit ins Lächerliche gezogen wird.
Wer den Film ansieht, sollte unbedingt noch kurz nach dem Ende sitzen bleiben, denn es wird bereits ein kurzer Teaser für den siebten Teil gezeigt.
Fazit: Fans der Filmreihe werden auch im sechsten Teil auf ihre Kosten kommen, wenn sie sich erst einmal durch den sperrigen Mittelteil gequält haben, denn der Anfang ist ideal inszeniert und das Ende kommt mit der gewohnten beeindruckenden Action daher. Freunde der Logik und guten Charakterzeichnung sollten hingegen einen weiten Bogen um dieses Werk machen.
by Andreas Engelhardt
Bilder © Universal Pictures Intl.