Filmkritik Familientreffen mit Hindernissen
Filmwertung: |
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| 4/10 |
Dass ein Familientreffen für gewöhnlich so einige Hindernisse mit sich bringt, sollte wohl jeder aus eigener Erfahrung bestätigen können. Kennt doch jeder die eine so verklemmte Tante, den so lauten Onkel ohne Manieren oder den heißen Cousin 3. Grades auf den man heimlich und auf recht verquere Weise steht. Dass uns Julie Delpys "Familientreffen mit Hindernissen" mit seiner Storyline um eine sommerliche Familienfeier jede Menge Pointen und komödientaugliche Fauxpaus verspricht, dürfte sich von selbst verstehen - eignet sich doch kaum ein Stoff besser für eine vielversprechende Sommerkomödie als die Darstellung einer etwas überdrehten Familie, mit der sich doch jeder identifizieren kann. Doch Moment mal - genau da liegt das Problem von "Familientreffen mit Hindernissen"- ist Delpy gerade wegen der Satirentauglichkeit des gern verfilmten Problemherds Familie wahrlich nicht die Erste, die sich komödiantisch an selbiges Thema annähert, sodass das Durchschnittskomödienpublikum umso höhere Erwartungen an den Streifen stellen sollte, welche "Familientreffen mit Hindernissen" einfach nicht erfüllen kann. Wohl auffälligster und ausschlaggebendster Problempunkt der Komödie: ihre autobiografische Basis. Zwar gelingt es Delpy, dem Publikum einen durchaus authentischen Einblick in den Familienalltag der 70er Jahre zu geben, doch ist der "Alltag" nun mal nicht, was die Menschen ins Kino zieht - kennt den doch jeder selbst zu gut und will man ihm gerade bei einem Kinobesuch eher entfliehen. Ihre vollsständige Authentizität und merkliche Plotorientierung an Delpys tatsächliche Kindheitserinnerung ist es so, was der Komödie deas komödiantische Potenzial nimmt. Ein intimes, wenn auch wenig chaotisches Portrait der Familie seiner Regisseurin, Autorin und Mitdarstellerin liefert "Familientreffen mit Hindernissen", sodass die Genrezuordnung "Komödie" nach Sommerhits wie "Hangover" oder "Männertrip" vor allem das junge Publikum nachhaltig verwirren sollte. Dabei kann man Delpy noch nicht einmal vorwerfen als Regisseurin oder Autorin des Streifens völlig versagt zu haben: stützen sparsamer Schnitt und häufige Pans doch gekonnt das Gefühl, sich auch filmtechnisch in den 70ern zu befinden, bauen Dialoge folgerichtig und charakterisierend aufeinander auf und schließt Delpys Plot schließlich sogar einen sinnschweren Bogen zwischen Anfang und Ende, welcher in all seiner Motiviertheit und Umsetzung ein wenig an das Werk von polnischem Kultregisseur Kristof Kieslowski erinnert, mit dem Delpy im Zuge seiner Triologie der drei Farben schauspielerisch zusammenarbeitete. Fest steht also, dass Delpy sich durchaus mit Filmtechnik auskennt, doch fest steht genauso, dass "Familientreffen mit Hindernissen" als Komödie einfach nicht greift - wohl tatsächlich deswegen, weil Delpy sich von ihrer so liebevollen Erinnerung an ihre Kindheit zu einer einfach zu realitätsnahen Darstellung einer einfach zu bekannten Fokusthematik in einem einfach zu konventionsgebundenen Genre hinreißen lassen hat - schade, denn durch ein wenig Entfremdung der autobiorafischen Begebenheiten, eine Verlagerung jener in die Neuzeit oder zumindest eine Nachpointierung der scheinbaren Realdialoge hätte "Familientreffen mit Hindernissen" womöglich das Zeug dazu gehabt, eine genussvolle Sommergrillparty zu werden, die jedermann satt macht. In dem Endprodukt, das der Streifen nunmal ist, scheint er stattdessen eher ein kuchenloser Kaffeeklatsch unter Großmüttern, der einen schmerzhaft knurrenden Magen zurücklässt.
by Sima Moussavian