Filmwertung: |
|
| 7/10 |
Mit „Exil“ gibt uns Filmemacher Visar Morina einen Spielfilm, welcher die Themen Ausgrenzung, Rassismus, Mobbing und Paranoia behandelt. Dies wird uns durch den Pharmaingenieur Xhafer gezeigt, der sich in seinem Unternehmen immer weniger akzeptiert und wertgeschätzt fühlt. Ebenso verspürt er Spannungen in seiner Ehe. Da er sich ebenfalls von seiner Schwiegermutter nicht akzeptiert fühlt und sichtlich Probleme damit hat, diese Anspannung zu bearbeiten bzw. anzugehen. Irgendwann kann man aber nicht mehr genau beurteilen ob wir Tatsachen oder überspitzte Wahrnehmungen sehen.
Sandra Hüller in Exil © Alamode Film
Dies wird uns durch die gute Kameraarbeit von Matteo Cocco stark vermittelt. Wie ein stiller Beobachter und unterstützender Freund, der stetig an seiner Seite ist und seine Begegnungen und Situationen sehr nahe miterlebt, nehmen wir automatisch stärker die Sicht von Xhafer ein. Wenn er über den dunklen und depressiven Flur seiner Arbeitsstätte läuft und der wahnsinnig wirkende Score einsetzt, können wir die innere Anspannung mitempfinden. Die Szenen sind Ruhig und mit Bedacht inszeniert und wenn wir in ein neues Szenario wechseln, fehlt uns zuerst kurz die Orientierung. In den ersten 45 Minuten wird dieses Gefühl stetig weiter aufgebaut und wir sehen die Abweisung und den latenten Rassismus der Arbeitskollegen oder die starken Spannungen mit der Ehefrau. Der Realismus ist hier sehr stark zu spüren. Und der Ablauf einer Geschäftsbesprechung oder die Art der Kommunikation mit dem (Ehe)-Partner wecken bei uns eigene Erfahrungen und Erinnerungen. Aber genauso werden wir auch darauf aufmerksam gemacht, dass unsere Sicht nur eine Sicht ist und nicht unbedingt die „richtige“ sein muss. Und genau darin zeigt sich die größte Qualität des Films. Von unserer Wahrnehmung sind wir zumeist Überzeugt und werden darin durch unser Erlebtes immer wieder bestätigt. Alleine durch unsere Empathie schaffen wir es, auch mal eine andere Perspektive einzunehmen und eine Gegenüberstellung zu unserer zu vollziehen. Und nun sind wir sehr unsicher, ob wir bzw. Xhafer alles richtig gedeutet hat oder wir durch fehlende Informationen unseres Gegenübers dies falsch einschätzen. Da jeder sein eigenes Päckchen zu tragen hat.
Misel Maticevic in Exil © Alamode Film
Diese Erkenntnis können wir dank der starken Inszenierung und dem guten Schauspiel mitnehmen. Aber mehr und mehr verlassen wir die Perspektive von Xhafer. Auch wenn wir immer wieder als sein stiller Begleiter agieren, möchten wir doch mehr und mehr von ihm wegrücken. Der Eindruck, dass doch nicht alles so ist, wie es Xhafer erlebt, wird immer stärker und wir sehen nun einen Mann, dessen gesunder Verstand stark zu leiden scheint. Wir warten nun auf einschneidende Erlebnisse und starke Einzelszenen. Diese bleiben aber leider aus. Die ruhige und nüchterne Inszenierung nimmt uns nun nicht mehr so gut mit und wir warten nur darauf wie unsere Reise mit Xhafer endet. Hier gibt uns der Film nur noch wenig Informationen und lässt viel Interpretationsspielraum. Wo wir zuvor noch mit Xhafer gerätselt haben, was wir hier gerade erleben, so rätseln wir nun was für eine Person Xhafer ist und was er mit sich bzw. in sich trägt. Diese Einsichten sind stark gezeigt aber trotzdem wünschen wir uns, dass alles etwas schneller geht und uns mehr starke Szenarien geboten werden. Man möchte einfach ein wenig mehr von allem.
Fazit: Die Themen der Ausgrenzung in einer Gesellschaft und die Suche und das Begreifen der eigenen Identität sind durch das Drehbuch, dem Sounddesign und der Kameraarbeit wirklich stark abgebildet. Und die Darstellung der Protagonisten von Mišel Mati?evi?, Rainer Bock und Sandra Hüller, weiß auch zu überzeugen. Trotzdem geht dem Film in der zweiten Hälfte etwas die Puste aus und die Spannung die wir zuvor spürten und die Gedanken die uns beschäftigten, gehen etwas verloren. Vermutlich hätte der Film mit etwas weniger Laufzeit, uns das gleiche vermitteln können. Auf der anderen Seite bleibt er dadurch seinem Tempo treu und am Ende haben wir einen deutschen Gesellschaftsthriller, der seine Aussage stark zu vermitteln weiß.
by Douglas Laszlo