Filmwertung: |
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| 6/10 |
Der junge südafrikanische Regisseur Neill Blomkamp beeindruckte 2009 mit seinem Erstlingswerk "District 9" Publikum und Kritiker gleichermaßen und ebnete sich so den Weg zu seiner zweiten großen Produktion "Elysium". Der in Johannesburg geborene Regisseur scheint vielleicht gerade aufgrund seines Backrounds fasziniert zu sein von Szenarien einer überbevölkerten und von Armut gebeutelten Erde, die ja schon in "District 9" bildgebend war und nun auch in "Elysium" das Sujet bestimmt.
Blomkamp führt uns ins Jahr 2154, wo sich die soziale Lage dramatisch zugespitzt hat. Während die verarmten Menschen auf der überbevölkerten Erde um das nackte Überleben kämpfen, lebt die Elite in einem sicheren Refugium auf einer Raumstation namens Elysium. Jeder Versuch seitens der verzweifelten Erdbevölkerung in das schwebende Paradies zu gelangen, wird von den Truppen um Elysiums Ministerin Delacourt (Jodie Foster) brutal vereitelt. Als Max (Matt Damon) bei einem Arbeitsunfall auf dem hoffnungslosen blauen Planeten radioaktiv verstrahlt wird, erhält er die erschütternde Diagnose, dass er innerhalb der nächsten fünf Tage sterben wird. Seine einzige Hoffnung besteht darin, nach Elysium zu gelangen, um dort die nötige medizinische Versorgung zu bekommen, die eigentlich der Oberschicht vorbehalten ist. Todgeweiht und mit dem Mut der Verzweiflung nimmt Max den Kampf mit dem menschenverachtenden System auf.
Matt Damon war begeistert, als Neill Blomkamp ihm ein Buch mit den Tattoos und dem Outfit von seiner Filmfigur Max sowie den Waffen und Autos präsentierte, das seine visuellen Visionen in sämtlichen fantasievollen Details darlegte. Für die 100 Millionen $ teure Produktion konnte Blomkamp außerdem Jodie Foster für die Rolle der eiskalten Befehlshaberin Elysiums, aber auch die Brasilianerin Alice Braga und den Mexikaner Diego Luna für weitere authentische Charaktere gewinnen. Der Film wurde in erster Linie an zwei Locations gedreht, wobei Mexico City das Double für das Los Angeles des Jahres 2154 war und in Vancouver der Space Habitat Elysium erstellt wurde. Damon bemerkte, dass das Filmteam während der viermonatigen Dreharbeiten in den armen Gebieten Mexikos den Film förmlich nachlebte, weil sie tagsüber an diesen gottverlassenen Orten drehten, wo die Leute sie jedoch sehr freundlich empfingen, sich abends nach Feierabend aber in ihre vornehmen Hotels, quasi in ihr eigenes Elysium zurückzogen und in feinen Restaurants aßen.
Das Elysium ist in der griechischen Mythologie eine Insel der Seligen und so sagt Blomkamp auch, der ganze Film ist eine Allegorie. Blomkamp scheint in der Gewichtung seiner Anliegen ambivalent, betont er einerseits, "Elysium" ist zuerst ein Action Movie, soll aber auch deutlich seinen politischen Subtext offenbaren. Und dann wiegelt er ab, es sei kein Science-Fiction-Film, es ist heute, es ist jetzt. Er will sich weder eindeutig in die Schublade des Mainstream-Action-Regisseurs, noch in die eines politischen Filmemachers einsortieren lassen und damit Kritikern und breitem Publikum gefallen. Dennoch ist es ein harter gesellschaftspolitischer Stoff, eine Metapher auf den Zustand der heutigen Gesellschaft. Es gibt nur Arm und Reich und damit zeigt er Dinge, die mit Verweis auf Mexico City, Johannesburg und Rio heute schon recht deutlich existieren und wählt mit einem kritischen Ausblick extra Los Angeles als Kulisse, was gerade tagesaktuell angesichts der sozialen Verfassung einer Stadt wie Detroit nicht mehr so utopisch erscheint. Und so schafft es Blomkamp trotz seines Unterhaltungsansinnens doch, dass dem Zuschauer dieser perspektivisch realistische Kampf der Menschheit ums nackte Überleben in Zeiten von Überbevölkerung, knapper Ressourcen und nicht mehr ausreichender medizinischer Allgemeinversorgung nachdenklich im Halse stecken bleibt. Als universelle Metapher möchte man auch an aktuelle Asyldebatten denken und sich der Verlogenheit überführt fühlen bei der Feststellung: Wenn Du versuchst, jedem Elysium zu geben, endet es damit, dass es niemand bekommt. So sehr "Elysium" dem Zuschauer auf dieser Ebene Gelegenheit zum Nachdenken gibt, so wenig fordert er ihn aber hinsichtlich der tatsächlichen Handlung heraus. Diese findet übrigens, anders als es der Trailer andeutet, erstaunlich wenig im Hochglanzrefugium Elysiums statt.
"Elysium" bietet eindringliche Gesellschaftskritik, spielt visuell in der obersten Liga, ist jedoch weder als Action- noch als Science-Fiction-Werk mehr als guter Durchschnitt. Wir wissen aber jetzt, dass unsere Hoffnung eine im All schwebende Felge sein könnte, müssen uns aber im Klaren sein, dass niemals genug Villen mit Pools für alle da sein werden.
by André Scheede