Filmwertung: |
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| 7/10 |
Fragt man Leute, die Eltern geworden sind nach ihrem neuen Leben, hört man meistens die Antwort, es sei das vollkommene Glück mit Kind. Der Blick behind the scenes soll den Stolz und die Freude mit dem eigenen Nachwuchs zumindest nach außen hin nicht mildern, dabei ist die Überforderung im Spagat zwischen Familie, Beruf und Partnerschaft allgegenwärtig und auch ein von den Medien häufig aufgegriffenes gesellschaftliches Thema. Der Film "Eltern" von Robert Thalheim handelt vom Elternsein in eben diesem Bermudadreieck von Beruf, Familie und Beziehung und wirft einen ebenso realistischen wie schonungslosen Blick in den Alltag einer vierköpfigen Familie.
Als Protagonisten präsentiert uns Thalheim also die "Eltern" Christine (Christiane Paul) und Konrad (Charly Hübner) sowie deren 5- und 10-jährige Töchter Emma (Emilia Pieske) und Käthe (Paraschiva Dragus). In der modernen Familie kümmert sich Vollzeit-Familienvater Konrad um Kinder und Haushalt, während Christine Karriere als Ärztin macht und das Geld verdient. Doch so sehr Konrad seine Kinder liebt, so sehr vermisst er auch seine Arbeit als Theaterregisseur. Als er dann die Chance bekommt, wieder in seinen Beruf einzusteigen, muss das Familienmanagement komplett neu geordnet werden. Eher als zusätzliches Problem erweist sich da die Anstellung des argentinischen Au-pair-Mädchens Isabel (Clara Lago). Der Balanceakt zwischen den zeitintensiven Jobs des Eltern-Paares und den Anforderungen eines Familien-Alltages mit Kindern stellt alle vor große Probleme.
Der 1974 in Berlin geborene Regisseur Robert Thalheim studierte an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg und feierte mit seinem Abschlussfilm "Am Ende kommen Touristen" 2007 sogar Premiere auf den Filmfestspielen in Cannes. Der für die authentische Umsetzung seiner Geschichten bekannte Thalheim inszeniert in "Eltern" den turbulenten Alltag einer modernen Großstadtfamilie mit all seinen Herausforderungen und verhandelt damit aktuell gesellschaftspolitische Themen wie Elternzeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und den medial gehypten modernen Mann realitätsnah und mit feinem Humor. Um die Charaktere authentisch und in der Darstellung unaufgeregt zu gestalten, stellte Thalheim eine hochkarätige Besetzung zusammen, die er neben den brillanten Kinderdarstellern Paraschiva Dragus und Emilia Pieske in den Elternteilen Charly Hübner und Christiane Paul fand. Letztere bekleidet als Christine nicht nur die Rolle der Mutter, sondern auch die der Ärztin, was sie ja auch aus ihrem privaten Leben kennt. Der heimliche internationale Star im Ensemble von "Eltern" ist aber die 23-jährige spanische Schauspielerin Clara Lago, die das nervige, mit eigenen Problemen beladene Au-pair-Mädchen Isabel spielt und 2011 in einer Hauptrolle im kolumbianisch-spanischen Mysterythriller "Das verborgene Gesicht" zu sehen war.
Wenn Thalheim von einem Bermudadreieck aus Beruf, Familie und Beziehung spricht, impliziert er damit schon, dass man darin gefangen sein, darin verschwinden kann und mit genau dieser schonungslosen Betrachtungsweise setzt er seinen Stoff um. Er zeigt sein urbanes Eltern-Paar in den Berufen Ärztin und Theaterregisseur, was man fast als Überhöhung sehen kann, weil diese Jobs wirklich keinen Zweifel an der Unvereinbarkeit aufkommen lassen. Damit schlägt er in dieser Woche, als Konrad ins Berufsleben zurückkehrt einen harten Kurs an, der den Zuschauer sofort um die Beziehung bangen lässt. Er unterstreicht dies in zahlreichen Szenen, beispielsweise wenn Konrad die Kinder mit zu Theaterproben nehmen muss, was sehr zulasten seiner Konzentration und letztlich seines Erfolges geht. Als Konrad dann zu Hause auszieht und vorübergehend im Theater wohnt, verdeutlicht Thalheim in einer Szene als Konrad morgens aufsteht, wie sehr er die Ruhe, Einsamkeit und die Möglichkeit, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren ohne seine Kinder genießt. Fragwürdig erscheint dagegen, ob die Handlung das Anheuern dieses Au-pair-Mädchens bedürft hätte, das dem ohnehin vom Sinken bedrohten Familienschiff wie ein weiteres problemhaftes Kind zur Last fällt. Ebenso fragwürdig ist, ob Konrad in seiner ehelichen Auszeit nun unbedingt unmittelbar auf die Avancen einer Kollegin eingehen muss, wobei sie ganz gut die Ambivalenz zwischen Single-Dasein und Familienleben aufzeigt. Der Film vermag es, wie im wirklichen Leben mit Kindern zu zeigen, dass lustige und existenzielle Momente blitzschnell wechseln und dass Kinder alle bisherigen Wertvorstellungen oder Lebensplanungen infrage stellen oder gar umwerfen können.
"Eltern" von Robert Thalheim ist eine ehrliche und authentische Analyse über die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch wenn man im ersten Moment danach denkt, dass dies nicht gerade ein Werbefilm für Familiengründung ist, könnte es doch ein wertvoller Ratgeber sein.
by André Scheede