Filmkritik Draußen am See
Filmwertung: |
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| 7/10 |
Mit „Draußen am See“ haben sich Katharina Schöde (Drehbuch, Produktion) und Felix Fuchssteiner (Drehbuch, Regie) an das in letzter Zeit in den Medien immer häufiger auftauchende, schwierige Thema Kindstötung (Neotatizid) gewagt.
Da es bisher nur wenige Untersuchungen dieser schier unbegreifbaren Vorfälle der Neugeborenentötung gibt, fehlten den Filmemachern wissenschaftliche Nachweise, auf die sie zurückgreifen konnten, um ein nachvollziehbares Motiv der Mutter aufzubauen. Im Mittelpunkt ihrer Erzählung stellten sie daher die 14-jährige Jessika (Elisa Schlott, „Die Frau vom Checkpoint Charlie“), jüngste Tochter und das familiäre Zentrum von Tine und Ernst Borowski (authentisch gespielt von Petra Kleinert und Michael Lott, bekannt aus „Doppelter Einsatz“ bzw. „Das Glück ist eine Katze“). Nach einer sehr ausführlichen (und etwas zu lang geratenen) Darstellung der Borowskis als ganz normale Familie mit Wochenendhäuschen und banalen Alltagsproblemen, knirscht es langsam zwischen ihnen, als Ernst seinen Arbeitsplatz verliert. Zu diesem Zeitpunkt ist Mutter Tine anscheinend bereits schwanger. Vielleicht ist ihre nun veränderte Lebensperspektive Ursache, dass Tine ihre Schwangerschaft verheimlicht. Ernst ist frustriert und entzieht sich seiner Frau, und die große Tochter Caro (Sina Tkotsch, „Beautiful Bitch“) ist fast flügge und braucht ihre Eltern nicht mehr wirklich. Und Jessika? Die ist doch schon ein großes Mädchen - Tine ist so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie kaum noch Zeit für ihre Jüngste hat. Als Tine dann eines Abends allein zu Haus ein Kind zur Welt bringt, gerät ihre Welt wohl dermaßen aus den Fugen, dass sie das Neugeborene tötet. Für die Unfassbarkeit ihrer Tat gibt es keine direkte Erklärung – aber diese kann und will der Film auch nicht liefern. Jessika, hat das Geschehen mitbekommen und kann es nicht begreifen. Ihre Mutter hat ein Kind bekommen, das sie nicht wollte und hat es getötet! Der Vater hat den toten Säugling vergraben! Tine und Ernst schweigen die bewusste Nacht tot und lassen Jessika mit ihrem schwerwiegenden Geheimnis allein.
Die 105 Film-Minuten sind scheinen besonders in der ersten Hälfe ein wenig lang. Man hätte sie noch effektiver nutzen, und den Charakter der Schwester deutlicher herausstellen können. Caro, die eine beachtliche Entwicklung von einer am Familienleben desinteressierten Heranwachsenden zur verantwortungsvollen Schwester durchmacht, kommt leider ein zu kurz. Diese Wandlung ist jedoch so bedeutend, dass ihr mehr Zeit hätte zustehen müssen.
„Draußen am See“ beweist, dass ein ansehenswerter Film auch ohne großes Budget entstehen kann. Er will berühren, hinterlässt aber leider nicht das bedrückende Gefühl der Beklemmung wie es zum Beispiel das Familiendrama „The War Zone“ von Tim Roth (1999) mit seiner unglaublichen Intensität vermitteln konnte.
Grundsätzlich ist es schwer vorstellbar, dass der Film ob seines bedrückenden Themas viele Zuschauer ins Kino locken wird. Zudem macht es die sehr begrenzte Anzahl der beteiligten Kinos fast unmöglich. Es ist zu wünschen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sich doch noch für diesen Film interessieren (die Produzenten konnten diese im Vorfeld leider nicht als Sender gewinnen) - als 90-minütiger Fernsehfilm findet er sicher seine Zuschauer.
by Daniela M. Fiebig