Filmkritik Die Verlegerin
Filmwertung: |
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| 8/10 |
Wenn Großkaliber wie Steven Spielberg, Meryl Streep und Tom Hanks für einen Film zusammenkommen, darf unzweifelhaft Großes erwartet werden. Steht dann noch ein derart zeitgemäßes und gewichtiges Sujet wie die sogenannten „Pentagon Papers“ im Mittelpunkt, ist das Oscar-Gespräch auch nicht weit. So war „Die Verlegerin“ einer der meisterwarteten Filme der Awards Season, der schon früh und ungesehen als einer der großen Oscar-Favoriten galt. Entsprechend gab es nun auch Nominierungen für den besten Film und Meryl Streep als beste Hauptdarstellerin, zu den Favoriten gehören aber mittlerweile andere. Dennoch: Kaum ein Film könnte passender das gegenwärtige politische Klima Amerikas kommentieren wie dieser.
Meryl Streep in Die Verlegerin © Universal Pictures International Germany GmbH
Wie schon 1993, als Spielberg in einem Jahr sowohl „Schindlers Liste“ als auch „Jurassic Park“ abdrehte, gelang dem virtuosen Filmemacher zuletzt erneut ein vergleichbares Kunststück. Denn erst als er im Frühjahr 2017 bereits mitten bei der Arbeit zu seinem neuen Blockbuster „Ready Player One“ stand, war das vielversprechende Drehbuch von Autoren-Neuling Liz Hannah angesichts seiner Aktualität zu verführerisch, um es nicht anzunehmen. So entstand „Die Verlegerin“ innerhalb von Rekordzeit und stand bereits im Dezember zur Veröffentlichung bereit.
Doch erst mal zum geschichtlichen Hintergrund: Anfang der Siebziger Jahre erteilte Robert McNamara, Verteidigungsminister unter John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson, den Auftrag einen ausführlichen Report über die militärischen Aktivitäten der Vereinigten Staaten zwischen 1945 und 1967 anzufertigen. Diese später als „Pentagon Papers“ bekannt gewordenen, 7.000 Seiten umfassenden Dokumente, hatten primär zum Inhalt, dass die Regierung trotz ihres Wissens über die Aussichtlosigkeit eines Sieges des Vietnamkriegs immer weiter Truppen losschickte. So waren am Ende dieses berüchtigten Konflikts 60.000 tote amerikanische Militärangehörige zu beklagen, die im Endeffekt aus falschem Nationalstolz sterben mussten. Kurz gesagt: das amerikanische Volk und auch der eigene Kongress wurden über mehrere Jahrzehnte und Präsidenten hinweg systematisch belogen.
Tom Hanks in Die Verlegerin © Universal Pictures International Germany GmbH
Die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Politik und dem, was man der Öffentlichkeit über die Medien vorgaukelte, war in seinem immensen Ausmaß nichts anderes als skandalös. Das schildert auch der pointierte Beginn von „Die Verlegerin“ überaus anschaulich, als sich Daniel Ellsberg (Matthew Rhys), der für die Regierung jahrelang als militärischer Analyst tätig war, auf dem Rückflug von einem weiteren verheerenden Einsatz in Vietnam befindet. Ellsberg wird hier von Robert McNamara (Bruce Greenwood) zur Rede gestellt, um seine persönliche Einschätzung über die Entwicklung des Krieges zu erfahren. Diese fällt angesichts der soeben gezeigten desillusionierenden Lage nicht gut aus, was McNamara jedoch nicht davon abhält, sich umgehend nach der Landung der erwartungsvollen Presse zu stellen und stolz ohne mit der Wimper zu zucken „We're making progress“ zu propagieren.
So kommt der Plot dann auch ins Rollen, denn Ellsberg entscheidet sich dazu nicht mehr untätig zu bleiben und die folgenschweren Lügen seiner Vorgesetzten hinzunehmen. So kommen dann die besagten Pentagon Papers ins Spiel, denn Ellberg kopiert die Dokumente in einem langwierigen Prozess und schmuggelt diese von seinem gut gesicherten Arbeitsplatz an die Außenwelt. Sein Ziel war die Veröffentlichung dieser Papiere, wozu er zunächst seine Kontakte zu Journalisten der New York Times nutzte, die einen Teil der Unterlagen 1971 als Titelstory veröffentlichte. Doch es dauerte nicht lange, bis die Nixon-Regierung nach landesweiten Protesten dagegen vorging und weitere Veröffentlichungen mit rechtlichen Mitteln unterbinden wollte…
Judith Martin (Jessie Mueller) © Universal Pictures International Germany GmbH
Den Beginn von „Die Verlegerin“ mit seinen schon oft ähnlich gesehenen, zu obligatorisch mit Creedence Clearwater Revival unterlegten Bildern eines unübersichtlichen Dschungelkrieges inszeniert Spielberg mit gewohnter Routine. Doch erst mit den Nacht- und Nebelaktionen von Ellsberg und Co., die das Kopieren und Herausschmuggeln der Papers zum Inhalt hat, wird der Film lebendig und treibend. Hier zeigt sich Spielberg von seiner gewohnt filmisch virtuosen Seite, die ordinären Vorgängen wie Kopieren mit scheinbarer Leichtigkeit visuelle Spannung und Einfallsreichtum entlockt.
Doch wie auch schon „Lincoln“ erweist sich auch „Die Verlegerin“ als überraschend zurückhaltender Film, der seine Figuren und den historischen Hintergrund in den Vordergrund stellt und auf filmische Spielereien weitestgehend verzichtet. So erscheint der Film für Spielberg-Verhältnisse visuell zwar reduziert und wenig dynamisch, aber dennoch auf den Punkt präzise und reif inszeniert. Den erzählerischen Kern des Films bildet dann das eingespielte Gespann Kay Graham (Meryl Streep) und Ben Bradlee (Tom Hanks). Washington Post-Verlegerin Graham hatte mit ihrer Stellung als erste weibliche Vorsitzende eines großen Medienimperiums eine Ausnahmeposition in den Vereinigten Staaten, während Bradlee seit 1965 Chefredakteur der Zeitung war. Zu Beginn des Films ist Graham gerade damit beschäftigt, ihre Firma an die Börse zu bringen, um sie zukunftssicher zu machen, was viel Überzeugungskraft von ihr verlangt.
Ben Bradlee (Tom Hanks) © Universal Pictures International Germany GmbH
Auch Journalisten der Post, darunter Ben Bagdikian (Bob Odenkirk) wurden schließlich Teile der Papers von Ellsberg zugespielt, was schließlich zu einer internen Debatte über die zukünftige Veröffentlichungspolitik führte. Graham war ihrerseits mit McNamara und anderen einflussreichen Persönlichkeiten befreundet, was zu einem drohenden Gewissenskonflikt führen könnte. Zudem musste die Verlegerin im Falle einer Veröffentlichung weiterer Enthüllungsartikeln mit potentiell folgenschweren juristischen Sanktionen rechnen, die ihrem Blatt entscheidend schaden könnte, während für Bradlee jedoch keinerlei Zweifel an der Richtigkeit von weiteren Enthüllungen bestand. Er sieht das Streben nach Wahrheit und die Information der Bevölkerung schlichtweg ganz altmodisch als seine berufliche Pflicht an.
Graham wird hier als faszinierende und facettenreiche Persönlichkeit portraitiert, die nicht ohne Zweifel und Unsicherheiten ist, aber letztlich in einem männlich dominierten Umfeld zu resoluter Stärke und großem Mut findet. Auch wenn es immer wieder zu Schlagabtäuschen zwischen den jahrelangen Freunden Graham und Bradlee kommt, ist ihre Beziehung stets von unausgesprochenem Respekt geprägt. Streep und Hanks brillieren hier in angenehm unauffälligen, aber hochpräzisen und nuancierten Darstellungen, die ihre realen Vorbilder dank ausführlicher Vorbereitung enorm authentisch und mit großem Auge für kleine Details zum Leben erwecken. Grahams und Bradlees Beziehung fungiert als menschliches Herzstück dieses Films, während die Parallelen zur gegenwärtigen US-Regierung und ihrer Beziehung zur Presse überdeutlich werden.
Tom Hanks, Meryl Streep, Philip Casnoff, David Cross, Tracy Letts, Bradley Whitford, Jessie Mueller, and Carrie Coon in Die Verlegerin © Universal Pictures International Germany GmbH
Der historische Hintergrund des Films ist zweifelsohne so nicht nur enorm zeitgemäß, sondern bildet auch an sich eine faszinierende Geschichte. Wie nicht anders zu erwarten war, inszenieren Spielberg und sein Team das alles auch entsprechend authentisch und einsichtsreich, jedoch ist „Die Verlegerin“ trotz aller Detailfreude in Sets und Kostümen keineswegs ein reiner Ausstattungsfilm. Hier stehen klar die Figuren, ausschweifende Dialoge und ein Zelebrieren von traditionellem Journalismus im Mittelpunkt, wie es auch schon im Oscar-Gewinner „
Spotlight“ (Autor Josh Singer arbeitete mit Liz Hannah gemeinsam am finalen Drehbuch) oder im unterschätzten „State of Play“ der Fall war. An sich lässt sich letztlich nicht wirklich etwas Negatives über diesen Film sagen. Sowohl die bestens aufgelegten, bis in die kleinsten Nebenrollen hervorragend besetzten Darsteller als auch das einsichtsreiche, eloquente und intelligente Drehbuch überzeugen hier und bringen faszinierendes und vor allem wichtiges Material hervor. Doch letztlich springt der Funke inszenatorisch nur bedingt über.
Spielberg ist wie auch bei „
Lincoln“ eher im biederen Kammerspiel-Modus und die Tatsache, dass der Weg zum Ziel mehr im Mittelpunkt steht als das finale Resultat raubt dem Film spürbar Spannung. Anders wie etwa in Alan J. Pakulas einflussreichem Klassiker „All the President's Men“ (der vom auf die Pentagon Papers folgenden Enthüllungsartikel der Washington Post über Watergate handelt) ist der Film nicht an unterschwelliger Paranoia und wirklich spürbarer Gefahr einer Veröffentlichung interessiert. So wirkt der Film am Ende etwas bieder, trocken und vielleicht ein Stück zu routiniert, um vollends vor allem emotional zu packen, so wertvoll er auch aufgrund all seiner Zutaten zweifelsfrei ist.
Fazit: „Die Verlegerin“ ist routiniert inszeniertes Prestige-Kino, das von gut aufgelegten Darstellern und einem einsichts- und geistreichen Drehbuch überzeugend getragen wird. Auch zeitgemäßer könnte der Film über die Enthüllung der Pentagon Papers kaum sein, dennoch ist „Die Verlegerin“ letztlich etwas zu trocken inszeniert, um wirklich zu packen oder gar zu bewegen.
by Florian Hoffmann
Bilder © Universal Pictures Intl.