Filmkritik Die Schöne & das Biest
Filmwertung: |
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| 6/10 |
Es ist die Rückkehr einer Legende und die inzwischen achte Kinoverfilmung des traditionellen französischen Volksmärchens "Die Schöne und das Biest", die am 14. Februar am letzten Tag des Wettbewerbs der diesjährigen Berlinale ihre Aufwartung machte, jedoch außer Konkurrenz lief. Wie es sich für ein Festival mit Glamour gehört, flanierten die "Schönen" Léa Seydoux und Yvonne Catterfeld über den roten Teppich und das "Biest" blieb zu Hause, ohne Vincent Cassel zu Nahe treten zu wollen. Nachdem das Märchen von Disney 1991 als Zeichentrick endgültig familienkompatibel gemacht wurde und es seither unentwegt auch als Musical durch alle Landen tourt, gilt es Argumente zu finden, warum sich jetzt wieder ein Kinobesuch lohnt.
Nicht ganz überraschend für den Märchenexperten schlagen wir im Frankreich des Jahres 1810 auf und erleben, wie ein reicher Kaufmann (André Dussollier) nach dem Untergang seiner Schiffe, seiner Lebensgrundlage entrissen, gezwungen ist, mit seinen sechs Kindern in ein einfaches Haus auf dem Land zu ziehen, was seiner jüngsten Tochter, der fröhlichen und anmutigen Belle (Léa Seydoux) im Gegensatz zu ihren Geschwistern sehr gut gefällt. Mit materiellen Wünschen seiner Kinder auf dem Zettel tritt der Kaufmann eine Reise in die Stadt an, wobei sich Belle nur eine Rose als Mitbringsel wünscht. Zu allem Unglück pflückt er gerade diese Rose auf dem Grundstück eines bedrohlichen Ungeheuers (Vincent Cassel), das ihn daraufhin zum Tode verurteilt. Belle fühlt sich für das Schicksal verantwortlich und beschließt, sich anstelle ihres Vaters zu opfern, doch im Schloss des Biestes erwartet sie nicht der Tod, sondern ein sonderbares Leben aus Magie, Freude und Melancholie. Mit der Zeit kommen sich die Schöne und das Biest näher und beim Versuch, die Geheimnisse des Biests zu lüften, erfährt Belle nachts in ihren Träumen, dass das wilde und einsame Wesen früher einmal ein schöner Prinz war. Belle entdeckt die wahre Liebe, als sie mit viel Mut ihr Herz öffnet und darum kämpft, das Biest von seinem Fluch zu befreien.
Dem französischen Regisseur Christophe Gans gelang 2001 mit dem historischen Fantasy-Thriller "Der Pakt der Wölfe", einem ebenfalls biestigen Stoff, der Durchbruch und 2006 bewies er bei der Verfilmung des Computerspiels "Silent Hill", dass er auch Horror kann. Beste Voraussetzungen also, um dem erstmals 1946 von Jean Cocteau verfilmten Märchen "La belle et la bête" noch mal einen neuen Anstrich zu geben, wobei ihm wichtig war, kein bloßes Remake, sondern eine neue Adaption zu gestalten. Nach seinem Bekunden lässt Cocteaus Erstverfilmung viele Türen offen, durch die Gans nun mit seinen Visionen hindurchgeht und dabei begleiten durften ihn neben Vincent Cassel als Prinz respektive Biest, der auch schon in "Der Pakt der Wölfe" mitwirkte, auch die Damen Léa Seydoux, die gerade durch ihre starke Rolle in "Blau ist eine warme Farbe" für Furore sorgte, und die deutsche Schauspielerin Yvonne Catterfeld. Die an der Besetzung unschwer zu erkennende französisch-deutsche Co-Produktion wurde mit einem Budget von 30 Millionen Euro zwischen November 2012 und Februar 2013 in den Filmstudios Babelsberg gedreht, weshalb Vincent Cassel die Zeit in Potsdam winterlich fröstelnd in Erinnerung geblieben ist.
Nicht frösteln, sondern das Herz erwärmen soll es den Zuschauern, wenn die Fantasy Romanze am 1. Mai im Kino anläuft und Léa Seydoux meint, man brauche eine kindliche Seele, um den Film zu verstehen. Mit rauschhaften Bildern vereint auch Gans' Verfilmung die unschuldige Kaufmannstochter und das Ungeheuer mit dem verhärteten Herz in einer romantischen Zauberwelt und reichert das klassische Märchen mit so einigen kreativ umgesetzten optischen Nova an. Die Story führt den klassischen Abgleich des einerseits eingebildeten Prinzen, der vor seiner Verwandlung seine vermeintliche von Yvonne Catterfeld dargestellte Prinzessin erschießt, als sie ihm als Hirschkuh erscheint, dann aber als Biest die Fähigkeit zu wahrer Liebe erlangt, als ihm Belle begegnet, deren Darstellung von Léa Seydoux der unbestrittene Glanzpunkt des Filmes ist. Trotz einer soliden Erzählstruktur bleibt die dramaturgische Gestaltung der Story eindeutig hinter ihren visuellen Anreizen zurück. Der Prozess des Verliebens der jungen Frau in die fiese Riesenkatze ist dem Zuschauer mehr aus früheren Begegnungen mit diesem Märchen geläufig, als dass er ihm hier emotional nachvollziehbar wird. Doch auch wenn sich das Zwischenmenschliche ein bisschen in den romantisch verkitschten Bildern zu verlieren droht, so wird das Storyboard etwa durch Steinriesen oder ständig umherschwirrenden kleinen glupschäugigen Jadghundanimationen aufgehübscht, was zum Schmunzeln anregen kann und diese Verfilmung von Christophe Gans unterm Strich als zulässige und unterhaltsame Adaption des Märchenklassikers für die gegenwärtige Generation sehenswert macht.
Die Neuverfilmung des Märchenklassikers um die berühmte Liebesgeschichte von Belle und dem Biest findet betörende Bilder, kann aber erzählerisch den nach seinen vielfachen Inszenierungen ausgetretenen Pfaden keine Frischzellenkur verpassen.
by André Scheede