Filmkritik Die Bücherdiebin
Filmwertung: |
|
| 7/10 |
Nach dem Weltbestseller von Markus Zusak, der rund acht Millionen mal in über 30 verschiedenen Sprachen verkauft wurde, inszeniert Brian Percival eine emotional ergreifende Kriegsgeschichte über ein mutiges Mädchen.
Nach dem tragischen Tod ihres Bruders und dem Weggang ihrer Mutter, wird die junge Liesel (Sophie Nélisse) in die Obhut von Pflegeeltern gegeben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelt sich zwischen dem Mädchen und ihrem Pflegevater Hans (Geoffrey Rush) eine liebevolle Bindung. Gemeinsam bilden sie eine Einheit gegen die mürrische Rosa (Emily Watson), die das Regiment der Familie mit eiserner Hand führt. Während sich die Situation in Nazi-Deutschland immer weiter zuspitzt, baut sich Liesel eine eigene Realität auf, die ihr unabhängig vom Krieg auch glückliche Zeiten bescheren. Die Strukturen der sich allmählich festigenden Banden, wird durch das Erscheinen des Juden Max (Ben Schnetzer), der bei ihnen Zuflucht sucht, aufgerüttelt. Doch die turbulenten Kriegsjahre zwingen die Fremden dazu, sich gegenzeitig Schutz und Halt zu bieten. An Max’ Seite entwickelt sich Liesel vom kleinen Mädchen zu einer wissbegierigen jungen Dame, die sich in den Geschichten der Bücher zu verlieren vermag.
Regisseur Brian Percival (TV-Serie „Downton Abbey“) gelingt es mit seinem Drama eine ergreifende Kriegszeit auf die Leinwand zu bringen. In stimmigen Kulissen wird das Ambiente der Zeit wiederbelebt, in denen Freude und Leid Hand in Hand gehen. Jeder steht sich selbst am Nächsten und versucht seine Familie zu retten. Stets ungewiss darüber, wen man noch trauen darf und wem nicht. Fanatismus und Grausamkeit nehmen immer wieder die Handlung für sich ein, die der Romanautor nach den Erzählungen seiner Eltern skizziert hat. Der Film greift darauf zurück und zeigt den Krieg aus einer kindlichen Perspektive, die sich gelegentlich in einer nahezu naiver Gestaltung verliert. Die Menschen werden kurzerhand in die Kategorien Gut und Böse eingeteilt. Teils werden dabei gängige Klischees, die denen das Genre arbeitet genutzt, um die Handlungsepoche prägnant zu gestalten. Die Verfolgung der Juden wird dabei ebenso thematisiert, wie der Einzug pubertierender Jungen zum Kriegsdienst. Geschildert aus der Perspektive des Todes nimmt der Film bereits in den ersten Minuten einen dramatischen Unterton an, der immer wieder erahnen lässt, dass kaum jemand ein glückliches Ende finden wird. Gleichzeitig erhält die Geschichte dadurch einen fast schon fantastischen Charakter, wenn der Tod den besonderen Fokus auf die jugendliche Hauptfigur Liesel lenkt, die er wegen ihres unerschütterlichen Mutes erst als letzte aller Figuren zu sich nimmt.
Die Flucht der Hauptfiguren vor der grausamen Realität findet im geheimen statt. Der Zuschauer taucht mit Liesel und Max in den Keller hinab, der als Schutz- und Rückzugsraum dient. In der kargen Umgebung mit diffusem Licht verbringt das Mädchen ihre Kindheit an der Seite des Verfolgten, wo sie im Zuge des Zweiten Weltkrieges nicht glücklicher hätte sein können. Für den Juden Max dient der Keller als Schutz, doch gleichzeitig vermittelt er das Gefühl eines Gefängnisses, dem man nicht entrinnen kann. Das Ende der Geschichte gestaltet sich schmerzlich, was aufgrund einiger Längen in manchen Szenen kaum zu ertragen ist. Jede einzelne Figur bekommt ihr eigenes persönliches Ende aufgetragen, dessen Dramatik durch die düsteren Dialoge und eine emotionalschwere Musik geschürt wird.
Die Darsteller erweisen sich allesamt als gute Wahl. Vor allem die junge Kanadierin Sophie Nélisse („Monsieur Lazhar“) entpuppt sich mit ihrem Schauspiel als wahre Endeckung. Sie trägt die Geschichte zu großen Teilen alleine und schafft es eine persönliche Entwicklung darzustellen. Unterstützt durch Emily Watson („Die Gefährten“) und Geoffrey Rush („The King’s Speech“) als Ersatzeltern wird die Situation in den Kriegsjahren versucht nachzubilden. Das Überleben ist das größte Ziel aller, während der Zeitvertreib des Lesens schon fast als banale Freizeitbeschäftigung dient. Aber gerade jene Leidenschaft vermag es selbst die dunkelsten Momente des Lebens zu erleuchten und die Figuren in ihrer Entwicklung zu unterstützen.
Fazit: „Die Bücherdiebin“ ist aufgrund der Kriegsthematik wahrlich kein schöner Film. Ausgezeichnet mit dem Prädikat besonders wertvoll erzählt er jedoch eine zutiefst menschliche Geschichte über Hoffnungen und Nöte, die von ihren guten Darstellern getragen werden.
by Sandy Kolbuch
Bilder © 20th Century Fox