Filmkritik Der Spion und sein Bruder
Filmwertung: |
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| 7/10 |
Der Film von Regisseur Louis Leterrier (The Transporter, Die Unfassbaren, Kampf der Titanen) setzt auf derben Humor, ganz im Stile von Sacha Baron Cohen. Der 44-Jährige spielt den trottligen Norman „Nobby“ Butcher, einen englischen Fußball-Hooligan mit Bierbauch, einer fetten Freundin namens Dawn (Rebel Wilson) und elf Kindern mit denen er in der heruntergekommenen Gegend Grimsby in einem viel zu kleinen Haus lebt. Nobby fehlt für das Glück eines Mannes aus der Unterschicht nur eines: sein seit 28 Jahren vermisster Bruder Sebastian (Mark Strong).

Dieser ist mittlerweile MI6-Agent und wird durch einen Zufall von einem Kumpel Nobbys wiedergefunden. Nobbys Freund schleust ihn mit einem geklauten Ticket auf die Kundgebung der Gesundheitsaktivistin Rhonda George (Penélope Cruz). Dort trifft er Sebastian wieder – und löst ein Chaos aus. Dieses können die Brüder nur gemeinsam versuchen zu ordnen.
Die Geschichte ist witzig umgesetzt. Fans von Cohens Humor werden auch mit diesem Film ihren Spaß haben. Die anderen hingegen nicht. Denn „Der Spion und sein Bruder“ legt in Sachen grenzwertigem Humor, der viele Gags, die unter die Gürtellinie zielen, beinhaltet, im Vergleich zu den anderen Cohen-Filmen noch eine Schippe drauf. Dabei gibt es auch einige Szenen, die die Grenze überschreiten und (bewusst) Ekel beim Zuschauer auslösen, was nicht mal allen Menschen, die bösen schwarzen Humor mögen, gefallen dürfte. Beispielhaft sei hier die berüchtigte Elefantenszene genannt, die durch die Jimmy Kimmel-Show bereits vor dem Kinostart Berühmtheit erlangte – eine kluge PR-Aktion, die viele Zuschauer in die Kinosäle locken wird.
Zudem ist Cohens Stil in Verbindung mit seinem perfekten Timing und seiner Situationskomik erkennbar und gelungen. Die Story ist eine abgedrehte Mischung aus Buddy-Komödie und Actionfilm. Doch sie hat einige Lücken und große Logiklöcher, die exemplarisch auch in der Elefantenszene vorkommen. Auch die oberflächliche Charakterdarstellung, durch die nur Nobby und Sebastian ein wenig Tiefe erhalten, fällt mehrfach auf. Wirklich stören tut das aber nicht. Denn der Film erreicht seine wichtigsten Ziele: er unterhält, sorgt für Kurzweil und einige Lacher – wenn man auf diese Art von Humor steht.

Unterstützt wird das Geschehen von einer abwechslungsreichen, dynamischen Kameraführung, die auch eine stylische Ego-Shooter-Perspektive zu bieten hat. Dazu kommen schöne, kontrastreiche Locations (Südafrika-Grimsby), eine stimmige, witzige Musikuntermalung, ein angemessen schneller Schnitt, coole Stunts und Kampfchoreographien, lustige Kostüme und ulkige Frisuren. Demgegenüber stehen mittelmäßige Effekte, bei denen vor allem die Fußballeinstellungen negativ auffallen, weil sie klar als Animation oder billige Nachmache zu erkennen sind. Ein weiterer Kritikpunkt ist die kurze Laufzeit von nur 82 Minuten, durch die wie oben erwähnt keine Tiefe entstehen kann. Noch ein Hinweis am Rande: nach dem Abspann gibt es noch eine abschließende Szene, sitzen bleiben lohnt sich in diesem Fall demnach.
Die Schauspieler machen ihre Sache sehr gut. Neben Sacha Baron Cohen (Borat, Hugo Cabret, Da Ali G Show), der mit seiner Liam Gallagher-Gedächtnisfrisur, den langen Kotletten, seinem Akzent, seinem Fußballtrikot der englischen Nationalmannschaft mit der Nummer 19 und seinem Bierbauch äußerst lustig aussieht, dazu mit seiner Mimik weitere Lacher garantiert, überzeugt vor allem der in diesem Genre Neuland betretende Mark Strong (Kingsman: The Secret Service, The Imitation, Kick-Ass), der seinen Protagonisten Sebastian zwar ernst und cool spielt, im Verbund mit Cohen aufgrund der großen Unterschiede ihrer Figuren aber für viele witzige Szenen sorgt. Außerdem überzeugen Rebel Wilson (Pitch Perfect 1+2, Brautalarm,
Nachts im Museum 3) mit Selbstironie, Penélope Cruz (Vicky Cristina Barcelona, Elegy oder die Kunst zu lieben, Blow) mit rassiger Kurzhaarfrisur und einer wandlungsreichen Rolle, Cohens Ehefrau Isla Fisher (Die Unfassbaren,

Der große Gatsby, Shopaholic) mit solidem Spiel als rechte Hand von Sebastian, Gabourey Sidibe (Precious, Empire, Wie ein weißer Vogel im Schneesturm) als amüsante Putzfrau Banu, Annabelle Wallis (Peaky Blinders, Die Tudors, Fleming) als nymphomanische Lina Smit, die in ihrer Sequenz für eine der lustigsten Fäkalhumorszenen des Filmes sorgt, Ian McShane (Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten , Deadwood, Cuban Fury) als ungeduldiger MI6-Boss und Scott Adkins (The Expendables 2, Das Bourne Ultimatum, Undisputed 2) als „ukrainischer Ben Affleck“ Lukashenko, der seine hervorragenden Kampfkünste unter Beweis stellen darf. Schön ist zudem, Barkhad Abdi (Captain Phillips) nach drei Jahren wieder auf der Leinwand in der Rolle des freundlichen Heroindealer Tabansi zu sehen.
Fazit: Witziger, typischer Sacha Baron Cohen-Film mit derbem Humor, der in einigen Szenen die Grenze der Geschmacklosigkeit überschreitet, dank des guten Timings, der aufwendig gefilmten Action-Sequenzen, der Situationskomik und der amüsanten Gags aber insgesamt überzeugen kann - wenn man mit dieser Art Film etwas anfangen kann. Für Freunde von bösem schwarzen Humor.
by Stefan Bröhl