Filmwertung: |
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| 7/10 |
Der 1986 unter dem Originaltitel "The Physician" erschienene historische Roman des US-amerikanischen Schriftstellers Noah Gordon war der erste Band einer Trilogie, die mit fiktiven Geschichten um seine Figur Rob Cole den Fortschritt der Medizin beschreibt. Ein Jahr später erschien Gordons Roman in Deutschland unter dem Titel "Der Medicus", wurde zu einem internationalen Erfolg und verkaufte sich allein im deutschsprachigen Raum über sechs Millionen Mal. "Der Medicus" gehörte bislang zu den wenigen unverfilmten großen Historienromanen der letzten Jahrzehnte, doch jetzt kommt der Film zum Weltbestseller in die Kinos und möchte nur allzu gerne an die Erfolge seiner Literaturvorlage anknüpfen.
Wie im Buch geht es nun auch im Film vor der Kulisse des mittelalterlichen Englands um den jungen Rob Cole (Tom Payne), der eine besondere Gabe besitzt, die ihn befähigt, den nahenden Tod einer Person bereits einige Zeit zuvor zu spüren, was er tragischerweise feststellte, als seine kranke Mutter starb. Getrieben von dem Wunsch, ein Heiler zu werden, schließt sich der junge Waise dem fahrenden Bader (Stellan Skarsgård) an, der ihn mit auf seine Fahrten nimmt und ihm neben kleinen Taschenspielertricks auch die Grundlagen der abendländischen Heilkunst beibringt. Doch Cole erkennt frühzeitig die Grenzen dieser einfachen Praktiken und beginnt nach größerem Wissen zu streben. Er begibt sich auf eine abenteuerliche Reise in das persische Isfahan, um den berühmten Universalgelehrten Ibn Sina (Ben Kingsley) aufzusuchen und Student bei dem genialen Mediziner zu werden. Trotz aller Gefahren und Strapazen ist sein Streben nach Wissen unbändig, doch er muss erfahren, dass der Weg der Erkenntnis ungeheure Opfer verlangt.
Der deutsche Regisseur Philipp Stölzl hat sich nach Filmen wie "Nordwand" und "Goethe!" nun der Verfilmung von Noah Gordons Romanvorlage gewidmet und folgt mit der Inszenierung dieses opulenten Abenteuerepos der Tradition großer europäischer Filmprojekte wie "Der Name der Rose" oder "Das Parfum". Nach einem Drehbuch von Jan Berger und unter Mitwirkung von Hagen Bogdanski, einem der besten deutschen Kameramänner, der zuletzt bei Madonnas "W.E." gebucht war, sollte für die Bildgestaltung des epischen Historienabenteuers auch ein erfahrenes Team für visuelle Effekte von Bedeutung sein, das die Kulissen entsprechend optisch nachbearbeitet hat. Auch eine eindrucksvolle Starbesetzung konnte Stölzl zusammenstellen, die uns, angeführt vom charismatischen Newcomer Tom Payne in der Hauptrolle des Rob Cole, internationale und deutsche Stars wie Stellan Skarsgård, Olivier Martinez, Emma Rigby, Elyas M'Barek und Fahri Yardim bietet. Auch Ben Kingsley stand für die spannende Zeitreise ins Mittelalter als persischer Arzt aller Ärzte Ibn Sina vor der Kamera und ist man an seine etwas fiese Synchronstimme gewöhnt, sollte man gerade beim Medicus mal seine eigentlich liebenswerte Stimme in der Originalversion verfolgen.
Gordons Roman verkaufte sich in Europa besser, als in seiner Heimat Amerika und wurde einst auf der Madrider Buchmesse zu einem der zehn beliebtesten Bücher aller Zeiten gekürt, was es nur folgerichtig erscheinen lässt, die Verfilmung auch in europäische respektive deutsche Hände gelegt zu haben. Ob "Der Medicus" auch zu den zehn beliebtesten Filmen zumindest innerhalb Europas avanciert, liegt nun in den Händen der Kinobesucher, wobei der zur Stimmung und Kulisse passende weihnachtliche Starttermin richtig gewählt ist. Wie schon Stölzls bisherige Filme zeigten, ist der gebürtige Münchner ein akkurater Handwerker des Filmschaffens, was bei der authentischen Umsetzung eines so erfolgreichen Romans durchaus angebracht war. Dieses mit zweieinhalb Stunden angemessen ausgebreitete emotionale und bildgewaltige Abenteuer nimmt in seiner ersten Hälfte ohne Hast einen ordentlichen Anlauf, kann dann aber noch äußerst kurzweilig die vom Buch als relevant vorgegebenen Themen zwischen Orient und Okzident, zwischen Liebe und Hass sowie zwischen Wissenschaft und Religion verhandeln. Die betont fiktive Geschichte eignet sich zwar nicht für den Geschichts-, vielleicht aber für den Ethikunterricht, nicht zuletzt, weil sie sogar noch das so aktuelle Thema der Organspende streift. Die Kernbotschaft ist jedoch darin zu sehen, dass von wissbegierigen Menschen vorangetriebener medizinischer Fortschritt keine Grenzen kennt, wenn es darum geht, das Leben der Menschen zu verlängern. Blickt man in diese mittelalterliche Welt, kann man den Weg erkennen, der uns heute zu unserer Lebenserwartung gebracht hat und weit zukünftigen Generationen vielleicht mal ein Renteneintrittsalter um die 100 bescheren wird.
Die Verfilmung "Der Medicus" bietet ein solides Historienabenteuer zur kuscheligen Jahreszeit, zeigt aber auch, wie weitsichtig der Roman schon damals hinsichtlich des medizinischen Fortschritts war. Ein nicht verschreibungspflichtiges Kinovergnügen, auch für Kassenpatienten.
by André Scheede
Bilder © Universal Pictures Intl.