Filmkritik Der Geschmack von Apfelkernen
Filmwertung: |
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| 6/10 |
Basierend auf der rund 1,25 Millionen mal verkauften Familiensaga von Katharina Hagena, kehrt die 28-jährige Iris (Hannah Herzsprung) nach vielen Jahren in das Haus heim, mit dem sie so viele schmerzliche Erinnerungen verbindet. Hin und her gerissen von den Gedanken an ihre Kindheit und Jugend, ringt die junge Frau damit, ob sie das Erbe annehmen soll oder nicht.
Im Laufe des Films offenbaren sich dem Zuschauer mosaikartig all jene beglückende, erschreckende, verängstigte und tragische Schicksalsschläge der Familie. Nicht nur Iris’ Erlebnisse werden geschildert, sondern auch jene ihrer Großmutter Bertha (Hildegard Schmahl), ihrer Tanten Inga (Marie Bäumer) und Harriet (Meret Becker), ihrer Cousine Rosemarie und der einstigen Freundin Mira. Und auch das Wiedertreffen mit Miras Bruder Max (Florian Stetter) und dem alten Herrn Lexow (Matthias Habich) birgt so manch eine Überraschung in sich, mit der Iris nie gerechnet hätte. Von schwermütiger Melancholie bis hin zur ausgelassenen Fröhlichkeit vereint die Familienchronik die Gefühle des Lebens. Begleitet von sanfter Klaviermusik wird die Magie der Geschichte unterstützt.
In nahezu verwunschenen Pfaden inszeniert Vivien Naefe („Die wilden Hühner“) in malerischen Bildern eine Familiengeschichte über drei Generationen hinweg, von den frühen 20er Jahren bis hin zur Neuzeit. Die verdrängten Erinnerungen an eine traumatische Nacht spitzen sich allmählich zu und lassen immer wieder das Leben der Frauen in kurzen Einblicken Revue passieren. Leider sind die Einzelschicksale der vielen Figuren in unterschiedlichen Zeitebenen erzählt, die sich fast willkürlich abwechseln. Kindheit, Jugend und Erwaschenenalter aller Frauen der Familie finden ihre Erwähnung und werden jeweils durch bis zu drei Darstellerinnen in Szene gesetzt. Trotz der harmonischen und durchweg konstanten Bildsprache, sorgen die vielen Zeit- und Handlungsebenen zwischenzeitlich für eine gewisse Orientierungslosigkeit.. Zudem verzweigt sich die Geschichte mehrfach in unchronologischer Reihenfolge und weist dadurch einige Längen im Mittelteil auf. Die im Fokus der Geschichte stehenden drei Generationen, müssen alle ihre dramatischen und vor allem traumatischen Erlebnisse überwinden. In vier verschiedenen Zeitebenen werden die Probleme der Frauen beschrieben, die sich scheinbar im Laufe der Zeit wiederholen. In jeder Generation werden die Familienmitglieder durch einen Mann voneinander getrennt, was jeweils einen schweren Schicksalsschlag und den Tod nach sich zieht. Erst am Ende des Films schließt sich der Kreis, während die Gedanken der Zuschauer noch lange in der Geschichte gefangen bleiben, um deren Komplexität greifen können. Nicht zuletzt durch die verträumt wirkenden Perspektiven von Kameramann Martin Langer, der selbst die traumatischen Momente in einer gelebten Sorglosigkeit inszeniert.
Gedreht innerhalb von 44 Tagen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Hessen, ruft der Film durch die verschiedenen Handlungsorte, wie etwa das Gut Stendorf, das als Berthas Haus den Mittelpunkt der Geschichte beheimatet, die authentischen Lebenszeiten der Figuren herauf.
In der Figur von Hannah Herzsprung fließen die Handlungsfäden zusammen und bilden ein komplexes Konstrukt über das Erinnern an glückliche und traurige Momente. Eingefangen in vielen speziellen Einzelgeschichten, die miteinander zusammenhängen und nur durch diesen großen Detailreichtum zusammenwachsen können. In Zusammenarbeit der überzeugenden Darsteller werden die Geheimnisse einer Familie offenbart, die jedoch am Ende leider nicht mehr als eine blasse Erinnerung sind.
Fazit: „Der Geschmack von Apfelkernen“ erzählt von den Liebschaften, Träumen und Schicksalen einer Familie, über drei Generationen hinweg. Der stetige Wechsel zwischen den Hauptfiguren sowie Handlungs- und Zeitebenen dominiert und verdrängt die zarten Zwischentöne schnell im Hintergrund.
by Sandy Kolbuch
Bilder © Concorde Filmverleih GmbH