Filmkritik Das Zimmermädchen Lynn
Filmwertung: |
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| 5/10 |
Ach wie schön und spannend ist doch die Welt der Mitmenschen! Ähnliches mag sich Markus Orth gedacht haben, als er seinen Roman „Das Zimmermädchen“ schrieb. Ingo Haeb nutzt den Roman als Vorlage für sein Drama „Das Zimmermädchen Lynn“, welches einen Blick in die Welt einer labilen und putzbegeisterten jungen Frau wirft.
Diese reinigt mit voller Hingabe Hotelzimmer und belauscht regelmäßig das Leben der Gäste, wenn sie sich unter dessen Betten versteckt. Die Grundidee klingt durchaus spannend, doch bei der filmischen Umsetzung hapert es leider. Denn wer erwartet, dass der Film den Voyeurismus zelebriert oder in einer bisher ungeahnten Weise auf die Leinwand bringt, wird enttäuscht werden. Zimmermädchen Lynn dringt zwar in die Privatsphäre der Hotelbesucher ein, erlebt deren Leben jedoch aus einer verminderten Perspektive mit. Wenn sie sich unter den Betten der Leute versteckt, hört sie Gespräche mit an oder wohnt der einen oder anderen Sexszene bei. Meist bezieht sich ihre Wahrnehmung jedoch nur auf das Hören, weil die Sicht aus ihrer Lage unter dem Bett stark eingeschränkt bleibt. Ausführlicher findet hingegen der Putzwahn von Lynn Betrachtung, der in manchen Momenten schon als krankhaft aufgefasst werden kann. Jeder Winkel und jede Nische wird voller Hingabe geschrubbt und selbst die Zahnbürsten der Hotelgäste erfahren eine Sonderbehandlung.
Die Hauptfigur bleibt trotz einiger Verweise auf die Vergangenheit oberflächlich und blass. Anhand der Therapiestunden werden mögliche Ereignisse angedeutet, jedoch nicht näher ausgeführt, sodass der Zuschauer im unklaren gelassen wird. Vicky Krieps´ Darstellung des Kindermädchens wirkt unmotiviert und banal. Bis zum Ende des Films gelingt es nicht, Sympathie zur Hauptfigur aufzubauen. Lynns Handlungen und auch die sonderbare Beziehung zum Callgirl bleiben als ungreifbare Ereignisse in der Luft hängen. Die meisten Szenen wirken etwas wahllos aneinandergereiht. Spannung kommt nicht auf und auch ein Mitgefühl für die Hauptfigur mag sich einfach nicht einstellen. Die Hotelbesucher bleiben ebenfalls anonym und ohne Persönlichkeit, weil sie nur die bekannten Stereotypen ohne jeglichen Esprit verkörpern. Einige wenige Szenen gestalten sich unfreiwillig etwas komisch. Der große Witz bleibt aber aus. Die Dialoge klingen sehr konstruiert und ersticken jegliches Gefühl von Atmosphäre bereits im Keim. Selbst die intime Liebesbeziehung mit Callgirl Chiara, etwas hölzern gespielt von Lena Lauzemis, kann kein Fünkchen Erotik transportieren.
Etwas imposanter erscheint da schon Lynn´s Traumversion, die jedoch aus der übrigen Handlung herausstricht und dadurch mehr störend als interessant erscheint. Das offene Ende bietet dem Zuschauer die Möglichkeit, sich selbst ein Finale auszumalen. Im Hinblick auf die unlängst banale Geschichte nimmt man jedoch das Ende hin, wie es nun einmal ist, ohne den Figuren einen weiteren Gedanken zu widmen.
Letzten Endes ist Ingo Haebs Drama mehr ein Kunstfilm, als eine packende Kinounterhaltung, die im abendlichen Programm vermutlich mehr Zuschauer vor den Fernseher, als ins Kino locken wird.
Fazit: „Das Zimmermädchen Lynn“ entlässt den Zuschauer mit einem beklemmenden Gefühl aus dem Kino. Unfreiwillig fühlt man sich an vergangene Hotelbesuche erinnert, die nach dem Film einen faden Beigeschmack bekommen. Bis auf wenige prägnante Szenen ist die Geschichte jedoch schnell vergessen und so bleibt am Ende nur die Einsicht, dass man bei der nächste Übernachtung in einem Hotel zunächst unters Bett schauen wird, um sicherzugehen, dass sich darunter kein Gast verbirgt.
by Sandy Kolbuch