Das Märchen der Märchen

Tale of Tales (2015), Italien / Frankreich / Großbritannien
Laufzeit: - FSK: 12 - Genre: Fantasy / Horror
Kinostart Deutschland: - Verleih: Concorde Filmverleih GmbH

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Das Märchen der Märchen Filmplakat -> zur Filmkritik

erhältlich auf 4K UHD, Blu-ray und DVD

Inhalt

Der Film erzählt drei Geschichten zwischen Faszination und Erschrecken: Die Sehnsucht der Königin von Longtrellis (Salma Hayek) nach einem Erben, die sie das Leben ihres Mannes (John C. Reilly) einbüßen lässt ... Zwei mysteriöse Schwestern, die die Leidenschaft des Königs von Strongcliff (Vincent Cassel) heraufbeschwören ... Die Besessenheit des Königs von Highhills (Toby Jones) von einem riesenhaften Floh, der seine Tochter ins Unglück stürzt ...

Salma Hayek, John C. Reilly und Vincent Cassel | mehr Cast & Crew


Das Märchen der Märchen - Trailer


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DVD und Blu-ray | Das Märchen der Märchen

Blu-ray
Das Märchen der Märchen Das Märchen der Märchen
Blu-ray Start:
10.03.2016
FSK: 12 - Laufzeit: 134 min.

zur Blu-ray Kritik
DVD
Das Märchen der Märchen Das Märchen der Märchen
DVD Start:
10.03.2016
FSK: 12 - Laufzeit: 129 min.

Filmkritik Das Märchen der Märchen

Filmwertung: | 7/10


Matteo Garones Cannes-Wettbewerbsbeitrag „Das Märchen der Märchen“ ist ein merkwürdiger, anspruchsvoller und oft anstrengender Film, den man nur sehr schwer beschreiben kann. Im Grunde handelt es sich hier um ein Märchen für Erwachsene, das auf der Märchensammlung „Pentameron“ des neapolitanischen Poeten Giambattista Basile basiert. Dieser Name mag für viele kein Begriff sein, doch Basiles um 1636 veröffentlichtes Werk, das aus vielen Einzelgeschichten besteht, war tatsächlich die Grundlage für viele der heute bekanntesten Märchenklassiker. Zu den von Basile inspirierten Märchen gehören unter anderem „Rapunzel“, „Cinderella“, „Der gestiefelte Kater“, „Dornröschen“ oder auch „Hänsel und Gretel“. Aus diesen Märchen findet sich letztlich nichts in Garrones eigenartigem Filmkunstwerk wieder. „Das Märchen der Märchen“ verarbeitet die drei Geschichten „Die hinterlistige Hirschkuh“, „Der Floh“ und „Die geschundene Alte“ zu einem wilden Genremix, der ganz schnell klar macht, dass Kinder hier nichts verloren haben. Garrones Film schockiert, irritiert und fasziniert – hier ist etwas Außergewöhnliches entstanden, das aber nicht immer funktioniert.

„Das Märchen der Märchen“ präsentiert die drei Geschichten nicht im Stile eines typischen Episodenfilms, sondern wechselt immer zwischen den Geschichten ab. Handlungsort oder -zeit des Films werden nicht etabliert. Die erste Geschichte handelt von einem König (John C. Reilly) und einer verbitterten Königin (Salma Hayek), die sich nichts sehnlicher wünscht als ein Kind. Ein mysteriöser Mann offenbart ihr die Lösung ihres Problems: Sie muss das von einer Jungfrau gekochte Herz eines Seeungeheuers verspeisen, um schwanger zu werden. In der zweiten Geschichte wird ein anderer König (Toby Jones) besessen von einem Floh, den er so lange pflegt, bis er zu einer riesigen Kreatur erwachsen ist. Seine für ihn scheinbar weniger interessante Tochter Violet (Bebe Cave) wird schließlich gegen ihren Willen durch etwas unglückliche Umstände mit einem monströsen Oger liiert. Ein weiterer König (Vincent Cassel) steht im Mittelpunkt der dritten Erzählung: Dieser durch seine Lüsternheit bekannte Herrscher wird durch das entfernte Singen einer mysteriösen Frau bezirzt, woraufhin er sich auf die Suche nach ihr macht. Bei der vermuteten jungen Frau handelt es sich aber um die alte, arme Wäscherin Dora (Hayley Carmichael), die zusammen mit ihrer Schwester Imma (Shirley Henderson) im Dorf lebt. Ohne Unterlass versucht der König, Dora dazu zu bringen, sich ihm zu zeigen.

Es ist schwierig, „Das Märchen der Märchen“ zusammenzufassen, ohne gleich die gesamte Geschichte zu erzählen. Letzten Endes hat man sicherlich am meisten von dem Film, ihn unvorbereitet zu sehen, denn es wird einiges an Überraschungen geboten. Hier jagt regelrecht ein Moment den anderen, bei dem man sich fragt, was man hier eigentlich sieht. Tonal schwankt der Film so zwischen mehreren Genres: Unzweifelhaft ist „Das Märchen der Märchen“ oberflächlich in die Fantasy-Schublade zu stecken, mit all seinen merkwürdigen Kreaturen, den Seemonstern, kafkaesken Riesenflöhen und Ogern, seinen Transformationen und magischen Schwangerschaften. In all dem steckt aber vor allem auch jede Menge makabrer Horror, der Film wirkt oft wie ein einziger, surrealer Albtraum, voller bedrohlicher Atmosphäre und irrationaler Bilder, die sich einem einzubrennen drohen. Das ist alles oft sehr blutig und brutal, häufig sogar richtig ekelhaft. Hinzu kommt auch ein recht freizügiger Umgang mit Sexualität. Garrone und seine drei Autoren versehen den Film aber auch mit einer kräftigen Portion tiefschwarzem Humor. Wie bei Märchen üblich, bleibt der Film natürlich nicht ohne hintergründigen Sinn: Das Märchen der Märchen“ ist trotz aller fantastischen Elemente eine Parabel, die Themen wie das Vergehen der Jugend und der Schönheit behandelt. Allgemeiner handelt der Film auch von solch universellen Motiven wie Leben, Tod und Wiedergeburt. Garrone, der vor allem international durch „Gomorrha“, sein Doku-Drama über die neapolitanische Mafia, international bekannt wurde, bietet hier jedenfalls einiges an Ambition.

Die italienisch-französische-britische Produktion sieht ohne Zweifel atemberaubend aus. Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass der Film mit 15 Millionen Dollar ein verhältnismäßig geringes Budget hat, wenn man bedenkt wie viel in Hollywood für Fantasyfilme ausgegeben wird. „Das Märchen der Märchen“ wurde zu großen Teilen an diversen realen Orten in Italien gedreht, wodurch der Film tatsächlich sehr greifbar wirkt. Hier werden echte Schlösser benutzt, pittoreske Drehorte wie steinerne Labyrinthe, Höhlen, Berge und Flüsse werden atemberaubend in Szene gesetzt. Hinzu kommen eine üppig-reichhaltige Ausstattung und pompöse Kostüme, die aus dem Film oft ein visuelles, bildgewaltiges Kunstwerk machen. Häufig erinnert „Das Märchen der Märchen“ an ein barockes Gemälde, manche Bilder wirken in ihrer detaillierten Komposition regelrecht malerisch. Auf Computereffekte wurde nahezu komplett verzichtet, die Kreaturen sind offenbar animatronisch umgesetzt, weshalb der Film ein angenehm altmodisches Flair ausstrahlt. Manchmal erinnert Garrones Film in seiner dichten Atmosphäre und handgemachten Art etwa an die düsteren Fantasyfilme von Jim Henson oder die sehr erwachsenen, mit wilden Ideen und visuellem Einfallsreichtum ausgestatten Filme von Terry Gilliam wie „Time Bandits“, „Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ oder „Brothers Grimm“. Erinnerungen weckt der Film aber auch zwangsläufig an Guillermo del Toros Meisterwerk „Pans Labyrinth“, interessanterweise aber auch stilistisch an David Cronenberg, vor allem in der Darstellung und Körperlichkeit der bizarren Kreaturen (etwa „Naked Lunch“ oder „Die Fliege“). Vielleicht ist es kein Zufall, dass sich Cronenbergs Stammkameramann Peter Suschitzky für die Bildgestaltung von „Das Märchen der Märchen“ verantwortlich zeichnet.

Es wird hier schon deutlich, „Das Märchen der Märchen“ ist ein ziemlich besonderer und eigenwilliger Film, der vollgepackt mit Ideen und Ambition ist. Das heißt aber nicht, dass hier alles perfekt umgesetzt ist. Der Film wirkt oft seltsam distanziert, man entwickelt keine echte Beziehung zu den Figuren, die oft etwas blass bleiben. Auch die sprunghafte Erzählung zwischen den Episoden ist nicht immer vorteilhaft. So entwickelt der Film nie eine echte erzählerische Sogwirkung, die Wechsel zwischen den Geschichten machen teilweise vielleicht thematisch Sinn, frustrieren aber auch manchmal, da man oft gerne länger bei bestimmten Momenten verweilen würde. Hinzu kommt, dass manche Darsteller etwas hölzern wirken. Salma Hayek hat zwar durchaus Präsenz, ihr Spiel wirkt aber größtenteils etwas bemüht. Auch der sonst so charismatische Vincent Cassel wirkt in seinen ersten Momenten so, als lese er den Dialog nur ab. Das Problem hat der Film hauptsächlich zu Beginn, er bessert sich aber im weiteren Verlauf. Spaß an seiner Rolle scheint etwa Toby Jones zu haben, später findet auch Cassel auf recht amüsante Weise in seinen Part als lüsterner, moralisch völlig korrupter König. Auch bezaubernd ist Newcomerin Bebe Cave als Violet. Akzente setzt der Film jedoch in anderen Bereichen, wodurch ein emotionaler Zugang zu „Das Märchen der Märchen“ letztlich erschwert wird. So strengt der Film auf Dauer etwas an, es fehlt bei den verschiedenen Subplots ein echter dramatischer Fokus, der den Zuschauer über seine letzten Endes doch recht lange wirkenden 125 Minuten zu packen weiß.

So ist „Das Märchen der Märchen“ eine eher zwiespältige Angelegenheit. Trotz aller Ambition und Originalität fällt es schwer den Film richtig zu mögen (oder gar zu lieben), eher lädt der Film zum etwas distanzierten Bewundern ein. Schön ist es aber immer, ein solch mutiges Werk fernab der Konvention zu sehen, bei dem man sich oft fragen muss, wie so etwas Exzentrisches und Mutiges heutzutage überhaupt existieren kann. Schade, dass der Film dann nicht mehr einlädt, sich wirklich mit seinen Charakteren identifizieren zu können. So regt dieser verrückte Film letztlich eher den Verstand, aber weniger das Herz an.

Fazit:
Ein düsteres, albtraumhaftes Märchen für Erwachsene voller Ambition und universeller Ideen, das durch seine unkonventionelle Machart fasziniert und anstrengt zugleich. Wundervoll ausgestattet und bebildert, aber letztlich springt der wichtige emotionale Funke nicht über. Ein Film, den man mit gemischten Gefühlen verlässt.
by Florian Hoffmann

Bilder © Concorde Filmverleih GmbH