Filmkritik Creed II: Rocky's Legacy
Filmwertung: |
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| 9/10 |
33 Jahre ist es nun schon her, dass Rocky Balboa seinen im Ring gestorbenen Freund Apollo Creed in „Rocky IV“ gegen die russische Kampfmaschine Ivan Drago gerächt und damit für Völkerverständigung zwischen Ost und West gesorgt hat. Nachdem Ryan Coogler das Vermächtnis der Kino-Legende Rocky Balboa mit dem überraschend kraftvollen „Creed“ 2015 erfolgreich wiederbelebt und die Geschichte von Creeds unehelichem Sohn Adonis aufgegriffen hat, war eine weitere Fortsetzung unvermeidlich. Während Coogler mit „
Black Panther“ beschäftigt war, übernahm nun Newcomer Steven Caple Jr., der hier erst seine zweite Regie-Arbeit abliefert. Es ist kaum zu glauben, aber auch im achten Teil steckt noch jede Menge Leben in der unsterblichen Boxer-Saga. Auch wenn die Fortsetzung viele bekannte Motive enthält und strukturell kaum zu überraschen weiß, ist Caple Jr. ein unglaublich mitreißendes und vitales Box-Drama gelungen, das die Reihe perfekt und mit enormer Power fortsetzt. Wer Fan der Reihe ist, wird hier eins um andere Mal am liebsten aufspringen und Beifall klatschen.
Michael B. Jordan in Creed II © Warner Bros. Pictures
Adonis (Michael B. Jordan) hat in Ex-Weltmeister Rocky (Sylvester Stallone) nicht nur einen Trainer, sondern auch die Vaterfigur gefunden, die er nie hatte. Am Ende des letzten Films triumphierte der junge Boxer, der mit aller Gewalt aus dem Schatten seines Vaters treten wollte und wurde zum neuen Schwergewichts-Champion. Was könnte für die Fortsetzung nun ein stärkeres Motiv sein, als das Wiederaufgreifen des alten Konflikts mit Ivan Drago (Dolph Lundgren), der nun seinen Sohn Viktor (Florian Munteanu) in den Ring schickt. Mit dieser Paarung beginnt „Creed II“ auch: In grobkörniger und grauer Ostblock-Tristesse lebt Drago als gebrochener Mann, der nach seiner Niederlage gegen Balboa von seinem Land und seiner Frau Ludmilla (Brigitte Nielsen) als nationale Schande fallen gelassen wurde. Seitdem hat er nur ein Ziel: sich zu rehabilitieren, seine Ehre wiederzugewinnen und triumphierend emporzukommen. Hierfür trainiert er seinen Sohn zu einer weiteren fiesen Killermaschine, die nur blinde Wut und keine Gnade kennt. In dem frisch gekürten Schwergewichts-Champion Adonis bietet sich die perfekte Gelegenheit, um eine alte Rechnung zu begleichen.
Dolph Lundgren und Florian Munteanu in Creed II © Warner Bros. Pictures
Der Kontrast zum grauen Kiew könnte nicht größer sein: Adonis pendelt zwischen dem Arbeiterklasse-Milieu von Philadelphia und der prächtigen Villa seiner Stiefmutter Mary Anne (Phylicia Rashad) im sonnigen Los Angeles. Creed ist ganz schnell nach ganz oben gekommen und genießt gemeinsam mit seiner Freundin Bianca (Tessa Thompson) seinen letzten Triumph in der Suite seines Hotels in Las Vegas, während Viktor Drago auf der anderen Seite des Ozeans Europaletten stapelt und auf seine Gelegenheit wartet. Wie auch schon in „Rocky II“ etabliert auch „Creed II“ eine neue Situation für den Titelhelden: Nun ist er Champ und gefeierter Star, was aber auch Begehrlichkeiten bei vielen Parteien weckt. Es ist klar, dass Adonis am Scheideweg steht, denn jetzt muss er sich erst richtig beweisen und zeigen, dass er jeden schlagen kann. Zugleich gelingt es Caple Jr. großartig, die Beziehung zwischen Adonis und Bianca zu vertiefen. Von einem amüsant unbeholfenen Heiratsantrag in besagter Hotelsuite über weitere Herausforderungen einer jungen Beziehung baut „Creed II“ eine menschliche Tiefe aus, die nötig ist, um den Film schließlich so mitreißend zu gestalten und über gewisse Formelhaftigkeit hinwegzublicken.
Jordan und Thompson haben erneut eine großartige Chemie, wobei es Caple Jr. gut gelingt auch Bianca einen dreidimensionalen Part mit Tiefe zu geben. Neben den Herausforderungen ihrer Beziehung zu Adonis vertieft der Film auch ihren drohenden Gehörverlust und ihre eigene berufliche Karriere als aufstrebende Musikerin, ohne je aber die erzählerische Balance zu verlieren. Michael B. Jordan ist aber dennoch das kräftig schlagende Herz des Films. Der enorm talentierte Darsteller reiht gerade einen starken Part an den anderen und auch hier wird er eins mit seiner Figur. So wild und grimmig wie auch zart und humorvoll, sein Adonis Creed ist eine herausragende Kreation voller Seele, die begeistert.
Sylvester Stallone und Michael B. Jordan in Creed II © Warner Bros. Pictures
Ganz wesentlich ist natürlich erneut die Beziehung von Adonis zu Rocky. Schnell wird klar, dass Creed seinen Titel nur über die Kampfmaschine Drago verteidigen kann. Hier schwingen erwartungsgemäß viele Gefühle für Adonis mit, jedoch hängt die Geschichte aus „Rocky IV“ auch immer noch Rocky in den Knochen. Seine Schuldgefühle, beim Kampf von Apollo nicht das Handtuch geworfen und somit den Tod seines Freundes verhindert zu haben, aber auch sein eigener zermürbender Rachekampf gegen den russischen Model-Athleten haben tiefe Narben hinterlassen. Die Frage, ob Rocky auch in diesem für seinen Schützling unausweichlichen Fight an der Seite stehen kann, ist einer der primären dramatischen Konflikte des Films. Stallone vertieft seinen mittlerweile zweifach Oscar-nominierten Part erneut überaus wirkungsvoll. Rockys etwas einfache, aber enorm liebenswerte Art, seine aus tiefstem Innern kommende Gutmütigkeit in Kombination mit all seinen Verlusten und dem Ballast der Vergangenheit gehen auch hier sehr ans Herz.
Zunächst scheint „Creed II“ in Bezug auf Drago und Sohn erneut in eindimensionale Schemata von Gut und Böse zu verfallen. Gerade Viktor ist eine sehr einsilbige, wenn auch imposante Erscheinung, die hauptsächlich grimmig aus der Wäsche schaut und nur Zerstörung in den Augen hat. Doch ein bedeutungsschwerer Dialog zwischen Ivan und Rocky in dessen Restaurant deutet an, dass Ivan als in seiner Heimat gefallener Held eine jahrzehntelang währende Schuld auf seinen Schultern trägt. Es ist schön, Dolph Lundgren in diesem Part zu sehen, der ihm dann doch endlich verdiente Tiefe und Verletzlichkeit gibt – eine beachtliche Präsenz ist Lundgren auch ohne nur ein Wort zu sagen. Im weiteren Verlauf des Films nimmt sich Caple Jr. dann auch immer wieder etwas Zeit, auch diese Vater-Sohn-Beziehung runder und facettenreicher zu machen, bis man auch hier zu einem Verständnis und sogar Mitgefühl kommt, die im hochemotionalen Finale sogar zu verdienten Tränen führen kann.
Sylvester Stallone in Creed II © Warner Bros. Pictures
Caple Jr. gelingt es also hervorragend, alle Beziehungen und Erzählstränge zu vertiefen und auszubauen, doch seine Inszenierung der Boxkämpfe und auch der obligatorischen Hardcore-Trainingsmontagen überwältigen schließlich immer wieder mit ihrer grandiosen Wucht. Auch wenn sich schnell eine gewisse Vorhersehbarkeit einstellt und sich die Geschichte wiederholt, man leidet mit diesen Figuren über die gesamte Distanz mit, wodurch man einfach nur mitgerissen werden kann. Der erste Fight gegen Drago gehört wie auch der spätere Showdown zum Besten, was das Genre zu bieten hat. Caple Jr. verzichtet auf Cooglers etwas ausgestellten langen Einstellungen und packt durch kontrollierte Schnittarbeit mehr Punch in die Kämpfe als noch im Vorgänger. Diese Kämpfe sind emotional immens aufgeladen, sodass man die vernichtende Gewalt von jedem der presslufthammerartigen Schläge von Drago regelrecht spürt. Die emotionale Reise dieser Figuren wird schlichtweg perfekt erzählt, sodass es nicht schwer fällt, hier voll mitzugehen. Wie es Caple Jr. schließlich gelingt zu einem derart erfüllenden und wahrhaftig emotionalen Ende zu kommen, ist dann wirklich bewundernswert.
Fazit: „Creed II“ ist größer und lauter als sein großartiger Vorgänger, aber Newcomer Steven Caple Jr. gelingt es, seine Figuren allesamt facettenreich zu vertiefen und nie den menschlichen Kern aus den Augen zu verlieren. „Creed II“ bietet einige der größten Momente des Genres und ist letztlich eine unglaublich mitreißende, kraftvolle, aufrichtige und schließlich tief bewegende Fortsetzung, die beweist, dass die Rocky-Saga immer noch viel Leben hat.
by Florian Hoffmann