Filmkritik Chroniken der Unterwelt - City of Bones
Filmwertung: |
 |
| 7/10 |
Mit „Chroniken der Unterwelt – City of Bones“ (OT: „The Mortal Instruments – City Of Bones“) findet eine weitere Young-Adult-Romanreihe den Weg in die Lichtspielhäuser: Der Regisseur Harald Zwart („Karate Kid“) hat den ersten Band der auf sechs Teile angelegten Buchserie von Cassandra Clare verfilmt. Darin muss die 15-jährige Clary Fray erkennen, dass sie kein gewöhnliches Mädchen ist: Ihre Mutter, die zu Beginn von obskuren Gestalten entführt wird, gehörte einst zu den sogenannten Schattenjägern. Jene Krieger – halb Mensch, halb Engel – setzen ihre Fähigkeiten ein, um die Menschheit vor dämonischen Übergriffen zu schützen. Auf der Suche nach ihrer Mutter wendet sich Clary (unterstützt von ihrem besten Freund Simon) den Schattenjägern Jace, Alec und Isabelle zu – und sieht sich bald mit dem abtrünnig gewordenen Valentine Morgenstern konfrontiert, welcher den „Kelch der Engel“ an sich reißen will.
Da ein Vergleich mit der „Twilight Saga“ nahezu unvermeidlich ist, seien einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede angeführt. In beiden Werken steht eine junge Heldin im Mittelpunkt. In „Chroniken der Unterwelt“ wird die von Lily Collins („Spieglein Spieglein“) verkörperte Clary jedoch – im Gegensatz zur Bella-Swan-Figur – rasch zu einem „aktiven Mitglied“ der neu entdeckten Welt (was wiederum eine Parallele zur deutschen „Edelstein-Trilogie“ darstellt). Ferner bildet sich jeweils ein Love Triangle, bestehend aus der Protagonistin und zwei männlichen Charakteren. Zum einen wird dieser Dreieckskonflikt hier aber glücklicherweise weniger passiv-aggressiv geführt, sondern mit entschieden mehr Witz in energisch-direkten Dialogen verhandelt; und zum anderen werden mit dem arrogant wirkenden, blond-androgynen Motorrad-„Ritter“ Jace (Jamie Campbell Bower) und dem lustigen, (zunächst) bebrillten Geek Simon (Robert Sheehan) zwei Männlichkeitstypen bzw. -stereotype präsentiert, die sich deutlich von jenen aus der „Twilight Saga“ („unermesslich nobler Melancholiker“ und „unermesslich nobler Athlet“) unterscheiden.
Sowohl in der Cassandra-Clare-Adaption als auch im Stephenie-Meyer-Kosmos geht es um Vampire und Werwölfe. Allerdings machen besagte Kreaturen lediglich einen Teil der „Unterwelt“ aus, da diese obendrein noch von Warlocks und anderen guten wie bösen Wesen bevölkert wird. Das erinnert ein wenig an die TV-Serie „Buffy – Im Bann der Dämonen“ (1997-2003), welche über sieben Staffeln hinweg als Mix aus Spannung, Komik und Gefühl zu gefallen wusste. Obgleich „Chroniken der Unterwelt“ nicht das Comedy-Level der Joss-Whedon-Kult-Show erreicht, kommt der Film doch mit einer angenehmen Portion Humor daher (an welchem es der auf Meyer basierten Kino-Reihe weitgehend mangelt). Das Werk beweist Selbstironie (Clary zu Jace: „Ist das der Moment, wo du dein Shirt ausziehst, um meine Wunden zu verbinden?“) und schreckt gar vor Absurditäten (Johann Sebastian Bach war ein Schattenjäger!) und Albernheiten nicht zurück. Über einen grotesk-unsinnigen „Fiese-Hexe-versucht-die-kaputte-Tür-zu-schließen“-Gag muss man leider noch tagelang lachen, auch wenn man es eigentlich überhaupt nicht möchte!
Zwei wichtige Unterschiede (und eine bedauerliche Gemeinsamkeit) gilt es darüber hinaus zu nennen. Während viele Nebenfiguren in der „Twilight Saga“ – trotz zum Teil guter Darsteller – unscharf bleiben und kaum Innenleben offenbaren, steckt in einigen der kleineren Parts in „Chroniken der Unterwelt“ ein beachtliches Potenzial. Von den Geschwistern Alec und Isabelle (Kevin Zegers und Jemima West) sowie von dem flamboyanten Raver-Hexenmeister Magnus Bane (Godfrey Gao) und dem väterlichen Luke (Aidan Turner) wird man in kommenden Teilen hoffentlich noch so manches zu sehen bekommen. Hier wird bereits ein spannungsreiches Beziehungsgeflecht entworfen. Enttäuschend ist hingegen der Antagonist Valentine Morgenstern: Der sonst meist großartige Jonathan Rhys Meyers („Die Tudors“) kann als Finsterling mit Samurai-Frisur keinen allzu tiefen Eindruck hinterlassen.
Der zweite noch zu nennende Unterschied zur „Twilight Saga“ besteht darin, dass es sich bei „Chroniken der Unterwelt“ weniger um eine Fantasy-Romanze handelt, als vielmehr um ein actionbetontes Urban-Gothic-Fantasy-Abenteuer. Anstelle einer Märchenwald-Idylle gibt es eine Großstadt-Kulisse, angereichert mit Schattenwelt-Motiven, wie z.B. der Kathedralen-artigen Ausbildungsstätte der Jäger oder dem Vampir-Hotel „Dumort“. Die visuellen Effekte können dabei überwiegend überzeugen; die mit dröhnenden Techno-Beats unterlegten Kampf-Sequenzen haben indes eher Trash-Appeal – und könnten direkt aus einem Action-Horror-Movie stammen. Erstaunlich ist ohnehin, dass sich nicht nur erwartbare Anklänge an artverwandte Werke (wie „Harry Potter“, „Beautiful Creatures“ etc.) finden, sondern auch an weniger naheliegende Produktionen wie „Silent Hill“, „Star Wars“, „Total Recall“, „Stargate“ oder Gregg Arakis „Kaboom“.
Die Gothic-Komponente des Films zeigt sich nicht zuletzt in den Bereichen „Maske“, „Kostüm“ und „Requisit“: Die Schattenjäger sind schwarz gewandet, tragen Lederkluft und Runen-Tattoos – und führen u.a. Glasschwerter mit sich. Wirklich schade ist, dass in den Momenten, die sich mit der Liebesbeziehung befassen, nicht ebenfalls mit Schauerromantik gearbeitet wird, um sich so von den Blumenwiesen-Bildern der „Twilight Saga“ abzugrenzen. Stattdessen spielt die zentrale Sequenz ausgerechnet in einem Gewächshaus – und eine sich „überraschend“ einschaltende Berieselungsanlage sowie ein süßlich-kitschiger Pop-Song kommen zum Einsatz. Loben lässt sich höchstens, wie ungehemmt dies zelebriert wird; das *kann* gar nicht ernst gemeint sein! Oder etwa doch?
Fazit: Wild, witzig und irgendwie reizvoll. Die finster und chic bebilderte Jugendliteratur-Adaption ist ein vielversprechender Auftakt zu einem neuen Film-Franchise; die Figuren und die Verbindungen zwischen ihnen wecken Interesse. Leider wird in den Paar-Szenen nicht auf eine schwarzromantische Ausgestaltung, sondern auf 08/15-Kitsch gesetzt.
by Andreas Köhnemann