Filmwertung: |
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| 6/10 |
Zum größten Teil klingt die Idee von Mike Cahills Debutfilm „Another Earth“ nach klassischem Independent/Arthouse Drama Material. Ein intelligentes, schönes, junges Mädchen steht kurz davor sich ihren beruflichen Traum zu erfüllen. Doch dann passiert der 17jährigen Rhoda etwas unvorhergesehenes, was alle ihre Zukunftsträume mit einem Mal zerstört. Durch jugendlichen Leichtsinn tötet sie mit ihrem Auto eine Frau sowie deren kleines Kind. Nur der Vater der Familie überlebt den Unfall schwer verletzt. Nach einem vierjährigen Gefängnisaufenthalt versucht sich Rhoda wieder zurück in den Alltag zu kämpfen. Von Schuldgefühlen geplagt sucht sie schließlich Kontakt zu dem mittlerweile aus dem Koma erwachten Witwer und ehemaligen Komponisten John Burroughs. Eine Entschuldigung für ihre Tat scheint der einzige Weg zu sein, mit sich selbst wieder ins reine zu kommen. Aber als Rhoda dem vom Schicksal zermürbten John gegenübersteht, bringt sie die Worte nicht über die Lippen. Stattdessen bietet sie sich ihm als Haushaltshilfe an, woraufhin sich eine immer enger werdende Beziehung zwischen den beiden Außenseiterfiguren entwickelt. Ohne zu wissen, wer genau da vor ihm steht, lässt sich John von Rhoda zurück ins Leben führen. Das Damoklesschwert in Form von Rhodas wahrer Identität schwingt dabei stets über den beiden Protagonisten.
Soweit erinnert Cahills „Another Earth“ an Dramen, wie beispielsweise Innaritius „21 Gramm“. Mit einem cleveren Kniff soll aus der an sich bekannten Geschichte jedoch eine Art Science-Fiction Story gemacht werden; ein Science-Fiction Film, ohne jegliche Spezialeffekte. Rhodas Traum war es nämlich Astrophysikerin zu werden und genau zu dem Zeitpunkt ihres zerstörerischen Unfalls entdeckten Wissenschaftler ein verblüffendes astronomisches Phänomen. Ein Planet erschien am Firmament, der der Erde eins zu eins gleicht. Und dies nicht nur äußerlich, denn offenbar leben auch die gleichen Personen auf dieser „Earth 2“. Ist es also die Erde aus einem Paralleluniversum, die plötzlich einfach sichtbar geworden ist? Eine Situation die gerade für Menschen wie Rhoda und John unzählige existenzielle Fragen aufwerfen: „Habe ich es in diesem anderen Leben besser gemacht? Sind meine Lieben noch am Leben? Kann ich mein Schicksal noch ändern? Was würde ich mir selbst sagen, wenn ich die Möglichkeit hätte mein zweites ich zu treffen?“ Besonders die letzte Frage scheint Cahill in das Zentrum seines Filmes stellen zu wollen. Fasziniert von der theoretischen Möglichkeit ihrem eigenen Ich gegenüberzutreten, bewirbt sich Rhoda nämlich um einen Platz auf dem ersten Shuttle, welches sich schon bald auf den Weg zum neuen Zwillingsplaneten machen wird. Doch dieses Vorhaben bleibt, ebenso wie die zweite Erde selbst, nur im Hintergrund des Filmes sichtbar.
„Another Earth“ ist zu aller erst einmal ein handwerklich ausgezeichnet gemachtes Drama, in dem der junge Regisseur Mike Cahill trotz straffer Budgetgrenzen eindrucksvolle und poetische Bilder zu erschaffen weiß. Visuell pflegt Cahill einen für den Sektor typisch dokumentarischen Kamerastil, der ein Gefühl von Authenzitismus und Realitätsbezug herstellen soll. Die so entstehenden Bilder werden auf der Tonebene dagegen oftmals mit sehr surrealen Klängen vermischt. In Kombination mit den hervorragenden Hauptdarstellern Brit Marling und William Mapother gelingt es Cahill die Geschichte um die zwei geschundenen Seelen, die durch ihr Leid zueinander finden, mit dem beschriebenen Stil ohne jeglichen Kitschfaktor zu erzählen. Immer wieder gelingt es ihm durch ganz spezielle Bilder und Töne das Innenleben der Protagonisten auszuleuchten. Ob die Science-Fiction Ebene, die der Film enthält, diesen wirklich weiter bringt, bleibt dagegen ein wenig zweifelhaft. Denn letztendlich werden hier nur Fragen und Metaphern visualisiert, die in anderen Dramen mit ähnlicher Thematik unter der Oberfläche ebenfalls verhandelt werden. So bleibt die Geschichte rund um die zweite Erde zu sehr Gimmick im eigenen Film und man wünscht sich Cahill hätte seine Idee ein wenig konsequenter ausgespielt. Trotzdem stellt „Another Earth“ einen sehr interessanten Debütfilm eines jungen amerikanischen Regisseurs dar. Es bleibt abzuwarten, ob er in Zukunft eher im Bereich des klassischen Dramas zu Hause sein wird oder höhere Budgets dazu nutzen wird erwachsene Science-Fiction Filme im Stile eines Duncan Jones zu realisieren. Kommt wahrscheinlich auf das jeweilige Universum an.
by Thomas Zimmer
Bilder © 20th Century Fox