Filmwertung: |
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| 6/10 |
Familie ist für die meisten Menschen das höchste Gut. Wer keine Familie besitzt, ist zwangsläufig auf der Suche nach einer familiären Ersatzbeziehung im Freundes- oder Bekanntenkreis. Dass nicht nur Blutsverwandte, sondern auch völlig Fremde, durch ungeplante Umstände zu einer Familie zusammenwachsen können, zeigt das Musical „Annie“ seit mehr als drei Jahrzehnten. Schon mehrfach wurde die Geschichte des Waisenmädchens in unterschiedlichen Varianten auf den Musicalbühnen der Welt aufgeführt und bereits zweifach verfilmt. Nun versucht auch Regisseur und Drehbuchautor Will Gluck sein Glück und bringt eine modernisierte Fassung des Klassikers auf die Kinoleinwand. Das Ergebnis ist nicht der erwartete Renner, sorgt aber für einige süße Filmmomente und einer großen Portion gute Laune.
Die tragische Geschichte von Waisenmädchen Annie, das auf der Suche nach ihren Eltern ist, verliert sich mit der Bekanntschaft des Millionärs in einer sprichwörtlichen Kehrtwende. Einst musste sich Annie mit mehreren Mädchen ein schäbiges Zimmer in der Wohnung der völlig ungeeigneten Pflegemutter (Cameron Diaz) teilen. Dann greift das Schicksal in ihr Leben ein und Annie findet sich in der Obhut des wohlhabenden Bürgermeister-Kandidaten Will Stackes (Jamie Foxx) wieder, der ihr jeden Traum erfüllen kann. Das nun sorgenfreie Leben wird lediglich von Luxus-Problemen dominiert. Denn Annie wird durch die Bekanntschaft von Will Stackes ebenfalls zur Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Erwartungsgemäß lässt der daraus resultierende Ärger auch nicht lange auf sich warten und das Chaos nimmt seinen Lauf.
Die Figuren in der Haupt- und Nebenhandlung bleiben oberflächlich und erfahren kaum eine tiefergehende Charakterzeichnung. So darf sich Cameron Diaz („Verrückt nach Mary“) als völlig überzeichnete Karikatur einer überforderten Pflegemutter ordentlich daneben benehmen. Mit ihrem absurden Verhalten werden ihr einige peinliche Szenen zuteil, die nicht wirklich nachvollziehbar sind, aber das junge Zielpublikum erfreuen dürfte. Jamie Foxx („Django Unchained“) kann sich als überheblicher Millionär wesentlich verkaufen. Nicht zuletzt, weil er im Laufe der Handlung Herz beweist und wahre Vaterqualitäten erkennen lässt. Doch der eigentliche Star des Films ist Quvenzhané Wallis („Beats of the Southern Wild“), die sowohl gesanglich, als auch schauspielerisch überzeugen kann. Als Sonnenschein nimmt sie die Handlung für sich ein, weiß aber in den richtigen Momente ihre Krallen zu zeigen. Damit wird wieder einmal unter Beweis gestellt, dass Kinder in der heutigen Zeit durchaus Köpfchen besitzen und sich in ungerechten Situationen zur Wehr setzen können.
Die rockigen Musiknummern untermalen die Stimmung und sorgen für ausgelassene Unterhaltung. Wer kein großer Fan von Musical-Filmen ist, sei gewarnt, denn kaum eine Sequenz wird nicht mit einem kleinen Song am Rande aufgehübscht. Bis auf die zeitliche Verlegung von dem Amerika der dreißiger Jahre ins heutige New York, erfährt die Geschichte keine nennenswerte Änderung. Etwas mehr Originalität wäre durchaus wünschenswert gewesen. Neben den bekannten Liedern wurden moderne Songs integriert, die jedoch aufgrund der deutschen Texte am Charme verlieren. Die Dialoge sind dem Zielpublikum geschuldet, können aber durchaus unterhalten und für nette Momente sorgen.
Fazit: Will Glucks Neuinterpretation des Musicals „Annie“ sorgt für gute Laune und einige nette Songs, die auch nach dem Kinobesuch noch ihre Wirkung zeigen. Storytechnisch kann die Produktion von Will Smith und Jay Z, trotz Staraufgebot, leider nicht überzeugen.
by Sandy Kolbuch