American Honey

American Honey (2016), Großbritannien / USA
Laufzeit: - FSK: 12 - Genre: Komödie / Drama
Kinostart Deutschland: - Verleih: Universal Pictures Intl.

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American Honey Filmplakat -> zur Filmkritik

erhältlich auf 4K UHD, Blu-ray und DVD

Inhalt

Star (Sasha Lane) ist gefangen in einem Leben, dass sie sich so nicht erträumt hat. Als sie eines Tages Jake (Shia LaBeouf) sieht, ist sie fasziniert. Er ist der vermeintliche Kopf einer Gruppe unbeschwerter Jugendlicher, denen sie in einem Supermarkt begegnet. Unvermittelt lädt er sie ein, sich ihnen anzuschließen. In Star keimt der Gedanke, alles hinter sich zu lassen. Jake (Shia LaBeouf) hat ihr den Kopf verdreht und so stürzt sie sich ins Abenteuer, in die Freiheit und das Gefüge einer Gruppe mit ganz eigenen Regeln - tagsüber ziehen sie von Haustür zu Haustür, um halb-legal Magazine zu verkaufen, und nachts feiern sie wild und zügellos. Ein Roadtrip in das Herz Amerikas und der Beginn einer rohen jungen Liebe, die ihre Grenzen sucht ...

Sasha Lane, Riley Keough und Shia LaBeouf | mehr Cast & Crew


American Honey - Trailer




DVD und Blu-ray | American Honey

Blu-ray
American Honey American Honey
Blu-ray Start:
23.02.2017
FSK: 12
DVD
American Honey American Honey
DVD Start:
23.02.2017
FSK: 12

zur DVD Kritik

Filmkritik American Honey

Filmwertung: | 10/10


American Honey handelt von der 18-jährigen Star, die sich einem Haufen Jugendlicher anschließt, um auf der Reise durch den Mittlern Westen unnütze Zeitschriftenabos zu verkaufen.
Es beginnt damit, dass Star (Schauspieldebüt von Sasha Lane), die auch Kinder einer Anderen aufzieht, in der Mülltonne nach Essbarem sucht. American Honey SzenenbildUm das Aufgetriebene und sich selbst nach Hause zu bringen, versucht sie am Straßenrand mit dem rausgestreckten Daumen eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Kein Schwein hält an, dafür so etwas wie ein Partybus – junge Leute, die der Welt mit ihren nackten Hintern zuwinken. Weiter im Supermarkt mischen sie auf Zack das monotone Kassenpiepen auf – Wie Found Love von Rihanna spielt. Zwischen Star und Jake (Shia LaBeouf) tut sich sofort im wuchtigen Blick- und Gestenaustausch ein magnetisches Feld auf. Die audiovisuelle Wirkung dessen ist nicht die eines erzählenden Kinos, wo man oft Drehbuchseiten flattern hört. Hier ereignet sich etwas unmittelbar, kommt ins Rollen, breitet sich aus, härtet wie ein Glied, dreht sich mit der scharfen Seite nach vorn. In der Tasche vergammelt indessen das Suppenhuhn aus der Mülltonne. Jake holt die Landeier wie Star am Rande der Gesellschaft ab, american honeys, um sie dann zu Mitgliedern einer Drückerkolonne zu machen. „Job of business opportunities. It's gonna be fun“. Mit ihren Darstellern sei die Regisseurin Andrea Arnold, so liest man, genau so auf Parkplätzen und Baustellen findig geworden.

Star ist bereit für ein Ereignis und es wird eine Reise sein. Reise wie Ausreißen. Mit der Roadmovie-Form erzählt Arnold weniger die Geschichte eines Abenteuers und Erwachsenwerdens. Sie nutzt diese vielmehr als Füllraster eines tiefen Bedürfnisses, als Unternehmung mit allerseits zwiespältigem Bedeutungshorizont. Nur besoffen und bekifft durchzustehen. Wenn es nichts zu verlieren gibt, dann ist es nicht mehr nur „innocent, pure and sweet“.

Stimmt, aber mit Rihannas Hit kommt man beim Schauen so schnell in den Flow, der so entwaffnend uninszeniert wirkt, dass man sich erst danach zu fragen beginnt, wohin und warum man da mitgetragen wurde. American Honey SzenenbildDie Kamera filmt hastig und voller impulsiver Energie in einer Art, die etwa die sozialrealistischen Filme der Brüder Dardennes auszeichnete, zumindest bis zu deren letzten Kinoarbeit. Wie bei Dardennes konzentriert sie sich auf Kraft und Wahrheit der Körper, auf Stars Neugier, Ergriffenheit und Teilnahme, auf die fett konturierten Augenlieder und die Sommersprossen in Dreiviertel-Ansicht. Wir sehen, wie sie das zu ihr Gesprochene verarbeitet, wie sie an Zigaretten zieht und vom alkoholischen Hartzeug ihr Gesicht verzieht; wie sie die Verkaufsargumente mit innerer Berechtigung vorzutragen versucht. Diese Kamera lässt Star nie aus den Augen, nimmt ihre Perspektive ein, während sie von dem schonungslosen Leben hin und her geschleudert wird; während sie mit ihrem ganzen Ich nach vorne reißt und während sie zurückschreckt – immer unmittelbar, ohne nachzudenken. Portrait einer Kämpferin wie Dardennes Rosetta es war oder sei könnte. Eine Identifikationsfigur mit Knacks. In Andrea Arnolds Fisch Tank von 2009 versuchte die 15-jährige Mia aus ihrem defizitären Zuhause durch Hiphop-Tanzen auszubrechen. Die Erinnerung an diesen Film blieb vage wie persistent. Ähnliches ist auch von American Honey zu erwarten.

Das Zusammensingen ist samt dem Fahren und dem Ein- und Aussteigen das am häufigsten vorkommende filmische Moment. Die Musik klingt hier bombastisch laut nicht aus dem Postproduktionsraum, sondern echt innernarrativ aus den Autoverstärkern. Der Charts-Hörwert als totale soziale Tatsache, die alle gesellschaftlichen Aspekte des Lebens miteinander und in ihrer Totalität zusammenhalten: die ihre sexy moves einübenden Teenager aus gutem Hause und die sozial Benachteiligten, die am allerletzten Ende der Verdienstkette in den richtigen Schwung gebracht werden müssen. „Hau rein und bring uns Kohle rein“, und wenn nicht, dann verprügelt eben ein Loser den anderen. Ob die schweren Beats vielleicht damit zu tun haben, dass die Figuren die Prekarität ihrer Situation nicht begreifen, sich nicht davon befreien wollen, ja sich zuallererst darauf einlassen?

American Honey Szenenbild Alles in American Honey ist konsequent kaputt: die ausgewachsenen Dreadlocks, die ausgefransten Jeans, das verschmierte Makeup, der Sex, die zerknitterten Geldscheine, die überdrehte Ausstrahlung von LaBeoufs Jake. Der Schauspieler sucht und findet vielleicht sogar auch hier seine Grenzerfahrungen. Dazu kommt die kaputte Plotführung, die Arnold zwischen den besseren Gegenden, den Ölstädten und der Ödnis von billigen Motels durchzieht. Da und dort taucht amerikanische Symbolik in Form von etwa Stars and Stripes-Bikinis auf – vielleicht als Sinnbild dafür, dass es auf großer Strecke nicht mehr geträumt wird.

Der Film liebt die Schrillheit, die er zeigt. Für das Aufzeigen wären die Bilder amerikanischer Missstände aber zu bekannt, das Ganze – ohnehin zu offenkundig. Der Drehpunkt Arnolds Ästhetik scheint über den faktischen Plot gerade da hinauszureichen, wo sie den Hyperrealismus des jungen Lebens, das bereist tiefe Risse bekommt, mit dem Staunen darüber zusammenwirken lässt. We Found Love spielt noch einmal, mitten im Nichts eines Ölfeldes, wo die Mädels aus der Drückerkolonne vor den überraschten Ölarbeitern tanzen. Die Mädels staunen über Hochhäuser und Springbrunnen – die Arbeiter staunen über die Mädels. Das Verhältnis zwischen Realität und Bild ist von einer Ordnung, die in allem so absurd wirkt, als würde die Filmmaschine selbst darüber staunen, was sie anstellt.

Fazit:
Was auch immer American Honey war, es war wunderschön.
by Olga Baruk

Bilder © Universal Pictures Intl.