Filmkritik A bigger splash
Filmwertung: |
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| 8/10 |
Mit „A Bigger Splash“ präsentiert der Italiener Luca Guidagnino nach „
I Am Love“ seine zweite Zusammenarbeit mit der großartigen Tilda Swinton. Heraus gekommen ist ein Kunstwerk, das nicht minder sinnlich und aufregend ist wie ihr erster Film, aber auch ohne Zweifel genauso polarisieren wird. Guadagnino ist an überhöhter Emotion interessiert, an wilden Bildern und purem Kino, das emotional wirkt und sich in die Seele des Zuschauers brennen will.

Hier geht es weniger um konventionelle Erzählung, die erklärt und intellektualisiert. Es handelt sich hierbei um ein Remake des französischen Films „Der Swimmingpool“ mit Alain Delon und Romy Schneider von 1969, dessen Grundkonstrukt hier erhalten bleibt, aber in vielen Aspekten auch entscheidend verändert wird. Ganz oberflächlich gesehen wechselt der Schauplatz von der Côte d’Azur zur sizilianischen Insel Pantelleria, die Ausgangslage bleibt ungefähr gleich.
Marianne (Tilda Swinton) ist ein weltweit gefeierter, David Bowie-artiger Pop-Superstar, dem die Stimme wegen einer Operation am Hals vorübergehend gestohlen wurde. Gemeinsam mit ihrem jüngeren Lover, dem Dokumentarfilmer Paul (Matthias Schoenaerts) genießt sie ihr heißes Sommer-Exil auf Sizilien, wo sie in ziemlicher Abgeschiedenheit der Lust und Liebe frönt. Ihr ruhiges Idyll wird durch Mariannes Plattenproduzent und Ex-Freund Harry (Ralph Fiennes) gestört, der das Paar mit seiner 22-jährigen Tochter Pen (Dakota Johnson), von deren Existenz er erst vor einem Jahr erfahren hat, überraschend besucht. Harry ist ein euphorischer, ausgelassener Wirbelwind und Lebemann, der vor einigen Jahren Marianne mit Paul verkuppelt hat, insgeheim aber noch nicht von ihrer Beziehung und feurigen, selbstzerstörerischen Vergangenheit weggekommen ist. In der folgenden Zeit genießt das Quartett ihren Sommerurlaub, aber alte und neue Gefühle sorgen für ein großes Durcheinander.
„A Bigger Splash“ ist kein konventioneller Film, der den Zuschauer brav an die Hand nimmt. Für lange Zeit dominieren hier sehr sinnliche, wunderschön und stimulierend komponierte Bilder, die sich an der sizilianischen Landschaft, an gutem Essen und vor allem an menschlichen, schwitzigen und gebräunten Körpern ergötzen. Oft ist Guadagninos Erzählung fragmentiert und springt assoziativ umher.

So beginnt „A Bigger Splash“ mit überwältigenden Beats über den Titeln und folgender gigantischer Konzertkulisse, die den Auftritt von Glamqueen Marianne erwartet. Bevor das Konzert losgeht, springt Guadagnino jedoch direkt in die Gegenwart an den Pool von Mariannes und Pauls malerischem Domizil. Dort liegen nackte, in der Sonne brutzelnde Körper, die schließlich im Pool ekstatischen Sex haben. Mit diesen kontrastierenden und intensiven Bildern wird der Film wuchtig und expressiv eröffnet, womit auch die zwei Grundbausteine Sex und Rock n‘ Roll direkt etabliert werden. Das Umherspringen in der Erzählung wird auch weiter fortgesetzt, immer wieder gibt es kurze, eingestreute Rückblenden, die die Beziehungen der Figuren prägnant etablieren.
Man spürt die Hitze und die warme, trockene Sommerluft Siziliens förmlich. Ebenso intensiv empfindet man auch die erotisch aufgeladene Atmosphäre des Films, die immer wieder etwa an Bertoluccis „Gefühl und Verführung“ oder Ozons „Swimming Pool“ erinnert (hat nichts mit dem 1969er Film zu tun). Alle Charaktere zeigen sich im Verlauf des Films in völliger Nacktheit, wodurch der Film über eine sehr befreite Qualität verfügt. Die gebräunten Körper und das Gefühl von Hitze erinnert auch unweigerlich an Jonathan Glazers unkonventionellen Gangsterstreifen „Sexy Beast“, was nicht die einzige Parallele bleibt. Die weitestgehend gelassene und ungezwungene Atmosphäre dieses Films, der mit gewissen Ausnahmen nicht an großen Handlungsmomenten interessiert ist, wird vor allem durch Ralph Fiennes faszinierende und wilde Kreation Harry aufgerissen. Dieser erinnert in gewisser Weise an Ben Kingsleys unvergesslichen Gangster Don Logan in Glazers modernem Klassiker, jedoch ohne dessen wütende Bedrohlichkeit. Harry ist im Grunde ein sympathisches, ungefiltertes Großmaul, der mit seiner Art wie auch Logan die sommerliche Ruhe aufbricht und als entscheidender Katalysator für die Entwicklung der Charakterdynamiken fungiert.

Eine der bemerkenswertesten Szenen in „A Bigger Splash“ ist wohl Harrys frenetischer, völlig losgelöster und ekstatischer Tanz zu „Emotional Rescue“ von den Stones, die er in der Filmrealität für eine gewisse Zeit gemanagt hat. Diese Tanzsequenz ist ein herrlich filmischer Moment, der sinnbildlich in seiner betörenden Euphorie und Gefühligkeit für den gesamten Film steht.
Guadagnino hält die Spannung zwischen diesen nicht ganz leicht zugänglichen Figuren lange aufrecht, denn zwischen ihnen bleibt vieles unausgesprochen und man kann die Gefühle und Intentionen der Charaktere nur über Blicke und Körpersprache erahnen. Marianne hat sich mit Paul in ein ruhigeres und bodenständigeres Leben geflüchtet, das ihr Harry, der den Exzess ohne Grenzen und Regeln liebt, nicht bieten konnte. Für Harry ist Paul wie eine Art Bruder, doch schon früh spürt man hinter der oberflächlichen Freundlichkeit auch eine mehr oder weniger deutlich gemachte Abneigung, die für subtile Spannung sorgt. In Bruchstücken werden Ereignisse der Vergangenheit offenbart, die die Figuren und ihre Beziehungen untereinander geprägt haben. Paul ist eher ein introvertierter Typ, doch die faszinierendere Präsenz ist Marianne, die gewohnt enigmatisch von der wunderbaren Tilda Swinton verkörpert wird. Von ihr stammt auch die sehr interessante Idee, dieser Figur die Stimme zu stehlen, wodurch sie lange nicht richtig durchschaubar bleibt. Interessant ist auch die Lolita-ähnliche Pen, die von Guadagninos Kamera immer wieder mit lüsternem und verführerischem Blick umworben wird. Sie trägt auch einige Geheimnisse mit sich und ihr sehr intensives und fast schon inzestuös wirkendes Verhalten mit ihrem Vater sorgt für einige irritierende Momente.
Es geht hier also primär um eine Auslotung des Gefühlslebens zwischen diesen vier Personen, doch letztlich wird der Film vor allem durch seine besondere Machart und seine audiovisuellen Reize ausgemacht.

Der Film strahlt etwas Geheimnisvolles und Undurchdringliches aus, das ihn sehr interessant, aber wie auch schon „I Am Love“ eine Spur unnahbar macht. Es gibt hier keine offensichtliche Botschaft, die man am Ende mitnimmt und eine echte Katharsis bleibt aus. Der emotionale Funke springt hier somit nur bedingt über und man bewundert letztlich eher die großartige Bildsprache und die sehr guten Schauspielleistungen, allen voran den sehr erinnerungswürdigen, vor Energie berstenden Ralph Fiennes. Die andeutungsreiche Inszenierung gestaltet den Film unvorhersehbar und gibt ihm eine latent mysteriöse Aura, die „A Bigger Splash“ in jedem Fall zu etwas Besonderem machen. Einem Genre ist der Film nur schwierig zuzuordnen, denn die Geschichte hält einige Überraschungen parat, mit denen man kaum rechnen würde.
Fazit: „A Bigger Splash“ ist ein wilder, sexuell aufgeladener und etwas unnahbarer Urlaubs-Trip mit Tilda Swinton, Matthias Schoenaerts, Dakota Johnson und einem unvergesslichen Ralph Fiennes in vollem Exzentrik-Modus. Luca Guadagninos Film bietet eine dichte, fieberhafte Atmosphäre, viel nackte Haut und eine berauschende Bildersprache, eine echte emotionale Katharsis bleibt aber aus. Dennoch ein faszinierender und sehr interessanter, eigenwilliger Film.
by Florian Hoffmann