Filmkritik A Most Wanted Man
Filmwertung: |
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| 7/10 |
„Oscar“ reife Leistung von Philip Seymour Hoffman - Der letzte abgedrehte Film mit dem am 2. Februar dieses Jahres verstorbenen „Oscar“-Preisträger Philip Seymour Hoffman (2005 für „Capote“) basiert auf dem 2008 erschienenen Roman „Marionetten“ des mittlerweile 83-Jährigen Bestsellerautors John le Carré („Der Spion, der aus der Kälte kam“, 1963). Hoffman brilliert in „A most wanted man“ als Hauptdarsteller und zeigt all seine Klasse als einer der besten Charakterdarsteller seiner Generation. Auf der Leinwand hat er eine ungeheure Präsenz, strahlt die für den gespielten Charakter stimmigen Gefühle weit über bloße Mimik und Gestik hinweg aus. Auch in seiner Rolle als Günther Bachmann, den Leiter einer Geheimdiensteinheit in Hamburg, geht Hoffmann völlig auf. Er trägt den Thriller im Alleingang.
In A Most Wanted Man geht es im weitesten Sinne um die Auswirkungen des Terroranschlages vom 11. September 2001. Überall auf der Welt gibt es spezielle, verdeckt arbeitende und offiziell nicht existierende Geheimdienste, so auch 2012 in Hamburg. Dort kommt der aus dem Gefängnis entflohene Issa Karpow (Grigoriy Dobrygin), halb Russe, halb Tschetschene, schwer von Folter gezeichnet an. Er taucht bei einer muslimischen Familie unter. Über sie nimmt er Kontakt zur idealistischen Anwältin Annabel Richter (Rachel McAdams) auf, die ihm dabei hilft, Kontakt zum Bankier Thomas Brue (Willem Dafoe) aufzunehmen. Denn Issa hat das Vermögen seines Vaters geerbt - mehr als 10 Millionen Euro. Beim deutschen und US-Geheimdienst läuten die Alarmglocken. Was wird Issa mit dem Geld anstellen? Die Einheit von Günther Bachmann um Erna Frey (Nina Hoss), Maximilian (Daniel Brühl) und Rasheed (Kostja Ullmann) heftet sich an seine Fersen. Dabei werden sie von Bachmanns Vorgesetzten und Konkurrenten Dieter Mohr (Rainer Bock) und dessen Einheit immer wieder behindert. Auch die mysteriöse CIA-Agentin Martha Sullivan (Robin Wright) ist für Bachmann eine Gegenspielerin. Ein Wettlauf um die Zeit und die in die Geschichte verstrickten Menschen beginnt, wobei Bachmann lernen muss, dass auch er selbst nur eine Marionette in einem undurchsichtigen Geflecht ist, dass die Mächtigen und Einflussreichen gestrickt haben (der Original- als auch deutsche Titel des Buches von Le Carré lautet entsprechend „Marionetten“).
So spannend sich die Geschichte anhört, ist sie am Ende leider nicht umgesetzt. Es passiert leider sehr wenig. Es gibt keine einzige Action-Sequenz. Während andere Thriller zu viele Action-Szenen haben, beinhaltet A Most Wanted Man eindeutig zu wenig. Denn so spannend der Film anfangs auch sein mag, irgendwann wünscht sich der Zuschauer sehnlichst, dass etwas passiert. So dümpelt A Most Wanted Man im immer gleichen Trott vor sich hin, weshalb es einige langwierige und zähe Szenen gibt. Dass die international finanzierte Verfilmung der Spionagegeschichte auf deutschem Boden dennoch ein gelungener Film ist, liegt zum einen an der zusätzlich zu Hoffman starken Besetzung: Rachel McAdams (Wie ein einziger Tag, State of Play, Midnight in Paris) spielt die idealistische Anwältin sehr überzeugend. Willem Dafoe (Platoon, Spider-Man, Auge um Auge) zeigt seine verletzliche Seite. Robin Wright (Verblendung, Forrest Gump, House of Cards) kann als zwielichtige CIA-Agentin überzeugen. Nina Hoss, Daniel Brühl, Kostja Ullmann und Rainer Bock haben in diesem in Hamburg und zwei Tage in Berlin gedrehten Film interessante Nebenrollen.
Hätte die Besetzung nicht gepasst, wäre der Film völlig in die Hose gegangen. Denn die 123 Minuten wirken deutlich länger, weil so wenig passiert. Die Schauspieler können einige Längen durch ihre Klasse kaschieren und geben ihren Charakteren eine Tiefe, die den Film interessant und packend macht.
Die Geschichte selbst kann trotz fehlenden Spannungsbogens mit überraschenden Wendungen, einem unvorhersehbarem Ende und einer aufschlussreichen Darstellung der Geheimdienste und der inneren Probleme überzeugen.
Des Weiteren ist die stimmungsvolle, eine dichte Atmosphäre erzeugende Musikuntermalung sehr gelungen. Für diese war niemand anderes als Herbert Grönemeyer zuständig, der außerdem eine Rolle als deutscher Geheimdienstkoordinator übernommen hat. Erstmals seit 2007 stand der 58-Jährige wieder vor der Kamera. Damals in einer kleinen Rolle in Control, zu dem Anton Corbijn wie hier Regie führte.
Aus dem Schauplatz Hamburg hat Corbijn viel herausgeholt. Der Zuschauer hat das Gefühl, die ganze Stadt in ihrer gesamten Vielfalt kennenzulernen.
Etwas getrübt wird der Film von der schlechten Kameraführung, die ohne jeglichen Grund unruhig, damit unpassend und störend wirkt. Warum diese neumodische Art der Kameraführung immer wieder bedient wird, obwohl sie offensichtlich Atmosphäre kostet und nicht generiert, wird ein Geheimnis der Filmemacher bleiben.
Die Chancen auf eine erneute, dann posthume Auszeichnung als Bester Hauptdarsteller bei der Oscarverleihung 2015 stehen für Philip Seymour Hoffman laut amerikanischer Medienberichte gut. Verdient hätte er es allemal. Für seine Rolle hier, aber auch für sein Gesamtwerk.
by Stefan Bröhl
Bilder © Senator Filmverleih