Filmkritik 2 Tage New York
Filmwertung: |
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| 7/10 |
In einer noch frischen Beziehung ist das erste Treffen mit der Verwandtschaft des Partners ein großer Schritt, der Überwindung kostet. Da ist Nervosität vorprogrammiert, denn es dauert ja mitunter eine Weile, bis man mit jedem warm wird. Doch meistens läuft alles glatt und das Treffen erweist sich als nicht so schlimm, wie man befürchtete. Meistens, aber nicht immer.
Fünf Jahre ist es her, dass Marion (Julie Delpy) mit ihrem damaligen Freund Jack ein Wochenende bei ihrer Familie in Paris verbrachte. Die Fotografin lebt inzwischen mit ihrem Sohn in New York, wo sie sich in den alleinerziehenden Vater einer siebenjährigen Tochter Mingus (Chris Rock) verliebt hat. Marion glaubt in Mingus einen humorvollen und verständnisvollen Partner gefunden zu haben und fragt sich, ob er der Mann fürs Leben ist.
Die Beziehung wird einem ernsten Härtetest unterzogen, als Marions kauziger Vater Jeannot (gespielt von ihrem leiblichen Vater Albert Delpy), ihre neurotische Schwester Rose (Alexia Landeau) und deren impertinenter Freund Manu (Alex Nahon) im Big Apple auftauchen und sich für ein Wochenende bei ihr einnisten. Zwischen den extrovertierten Franzosen und den pragmatischen Amis vollzieht sich ein Kulturschock, der sich in Marotten und Provokationen entlädt und selbst das Fundament der scheinbar harmonischen Beziehung von Marion und Mingus erschüttert.
Nach dem Überraschungserfolg ihrer Independent-Komödie "2 Days in Paris" 2007 ging Julie Delpy mit "2 Tage New York" nun das Wagnis einer Fortsetzung ein. Im Stile einer klassischen Screwball-Komödie lässt Mrs.Delpy, wie schon im Vorgänger, die Lieben aus Frankreich und den USA mal bissig und böse, mal spöttisch und ironisch aufeinander los gehen, greift Themen wie Familie, Politik, Sex, Ideale und Religion auf und spielt ihre Protagonisten mit der von ihr so geliebten absurden Komik unter Einbeziehung aller möglichen Vorurteile, Klischees und Alltagsprobleme gegeneinander aus.
Die skurrilen Situationen und auch der Unterleibshumor ist sehr ähnlich, wie schon im zweitägigen Pariser Familienalptraum. Ihren damals von Adam Goldberg gespielten Lover ersetzt sie durch Chris Rock, der mit seinem intellektuell-neurotischen Humor im Laufe der Zeit immer besser in die Komödie herein kommt. Ihr leiblicher Vater, der französische Schauspielveteran Albert Delpy, durch den man eine vage Vorstellung bekommt, von wen Julie ihre Extrovertiertheit hat, ist ebenso wieder mit an Bord, wie ihr eigener Kater Max, der im Film Jean-Luc heißt. Erst kürzlich machte sich Mrs.Delpy mit der Aussage, wie abstoßend sie die Verkörperung des konservativen Amerika durch Tom Hanks in "Forrest Gump" fand, selbst unnötig künstlerischen Druck. Mit diesem Film unterstreicht sie jedoch eindrucksvoll, dass sie selbst niemals in den Verdacht geraten wird, auch nur im Erntferntesten etwas mit dem konservativen Amerika zu tun zu haben.
"2 Tage New York" ist auch wieder eine ambitionierte Independent-Komödie geworden, welche die Neurosen der bewusst überklischierten Franzosen und Amerikaner in den Dialogen hart und bis an die Grenze dessen, dass man eine Kopfschmerztablette braucht, ausfechtet. In der zweiten Hälfte des Filmes zieht Mrs.Delpy aber bewusst die Handbremse und lässt die Feuer der Gefechte etwas nachqualmen, was der Komödie ein angenehmes Maß an Tiefgründigkeit gibt.
by André Scheede
Bilder © Senator Filmverleih