Filmkritik 10 Milliarden - Wie werden wir alle satt?
Filmwertung: |
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| 9/10 |
Der Dokumentarfilm von Regisseur Valentin Thurn (Taste the Waste, Die Essensretter, Ich bin Al Kaida) befasst sich mit einem komplexen und vor allem drängenden Thema, das jeden Menschen auf der Welt betrifft und schon im Filmtitel enthalten ist.

Um das Jahr 2050 wird die Erde mit 10 Milliarden Menschen zurechtkommen müssen. Wie soll man alle ernähren? Schließlich sind die Ressourcen der Erde endlich und vielerorts bereits ausgeschöpft oder kurz davor – was keine Panikmacherei ist. Es müssen neue, kreative Wege gefunden werden, um jedem Menschen sein Grundrecht auf Essen und Wasser zu garantieren. Zumal bereits heute Millionen Menschen Hunger leiden, weil es einfach nicht gelingt, für eine gerechte Umverteilung zu sorgen. Wie soll das in Zukunft bei einer noch größeren Erdbevölkerung gelingen?
Thurn geht diese und einige andere Thesen mit viel Fingerspitzengefühl an. Er suggeriert dabei keine Meinung, sondern lässt seine Interviewpartner zu Wort kommen und ordnet ihre Aussagen, sofern das nötig ist, ein. Das macht „10 Milliarden“ zu einem spannenden, brisanten und klugen Film, der den Zuschauer zum Überdenken seiner eigenen moralischen Werte und seiner Ernährung anregt. Thurn gelingt es dabei in den 103 Minuten Laufzeit, den Zuschauer trotz der Schwierigkeit des Themas nicht zu überfordern, was eine großartige Leistung ist. Zwar verlangt der gebürtige Stuttgarter einiges von seinen Zuschauern und setzt ein nicht unwesentliches Vorwissen voraus. Doch das ist dem Thema nur angemessen.
Der 52-Jährige macht sich in „10 Milliarden“ auf eine Reise um den Globus und stellt dabei die verschiedensten Projekte unterschiedlichster Menschen vor. Sei es die sympathische Kleinbäuerin Fanny Nanjiwa Likalawe aus Malawi, die es dank moderner Methoden geschafft hat, sich und ihr Dorf unabhängig vom preisschwankenden Weltmarkt zu ernähren und sogar noch Überschuss zu erzielen, den sie zu gerechten Preisen auf dem hiesigen Markt verkaufen kann oder der frühere Basketballstar Will Allen, der einen nachhaltigen und innovativen Bauernhof im Armenviertel in Milwaukee betreibt und die Menschen vor Ort lehrt, wie man sich unabhängig und lokal ernähren kann. Dieses Verfahren wird auch „Urban Farming“ genannt und der mittlerweile 65-Jährige gilt als einer der Vorreiter dieser Art sich zu nachhaltig ernähren.
Von solch illustren Gesprächspartnern lebt der Film. Man hört sehr unterschiedliche Meinungen und Weltansichten der Befragten. Doch eines sehen alle gleich: es muss sich etwas tun.

Zu Beginn ist es erschütternd, wie bedrohlich die Situation ist. Die wenigsten Menschen wissen das, weil sie – gerade in den westlichen Industrienationen - in ihrem Alltag davon nicht betroffen sind. Denn hier ist die Welt – oberflächlich betrachtet – noch in Ordnung. Es gibt überall Essen und Trinken im Überfluss. Das ist aber in vielen Teilen der Welt nicht der Fall. Auf den Schultern der westlichen Welt gehen die Existenzen vieler anderer Menschen zugrunde. Etwa enteignete Kleinbauern in Mosambik, die von großen Firmen von ihrem Grundbesitz vertrieben wurden und sich nicht wehren können, weil es im südostafrikanischen Land kein Eintrag ins Grundbuch gibt. Dabei wird auf diesen Feldern nur Tierfutter angebaut – für die Massentierhaltung und daraus folgend dem Fleischverzehr der westlichen Welt. Wir leben also in einem globalen Dorf mit einem empfindlichen Lebenskreislauf. Dessen sollte sich – spätestens nachdem man diesen packenden Film gesehen hat – jeder bewusst sein.
Was passiert etwa, wenn der Fleischbedarf der aufstrebenden asiatischen Nationen weiter steigt? Wie soll das gut gehen?
Doch der Film entlässt den Zuschauer mit einem Gefühl der Hoffnung. Das ist – bei allem was man vorher gesehen hat – auch dringend notwendig. Schließlich tut sich überall auf der Welt etwas. Die Vielfältigkeit ist dabei Trumpf. Jeder kann zu einer gesünderen Erde beitragen. Denn mit jedem Einkauf an der Supermarktkasse gibt man ein Votum ab. Dessen sollte sich jeder bewusst sein.
Fazit: Herausragender, äußerst wichtiger Dokumentarfilm, der zum Diskurs und zum Überdenken der eigenen Ernährung anregt. Sehenswert!
by Stefan Bröhl
Bilder © Prokino Filmverleih GmbH